Was es wiegt, das hat’s XXXVI: Umbruch

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Sollte ich jüngst noch an meinem Befund gezweifelt haben, heute ist von den Zweifeln nichts mehr übrig. (Ein angenehmer Effekt.) Der Kulturbetrieb hat sich grundlegend gewandelt, auch wenn das Verhalten vieler Akteurinnen und Akteure offenkundig noch in alten Bahnen verläuft.

Ein Bonmot besagt, daß jede Reform Widerstände erzeugt. Reformen müssen nicht zwingend von konkret benennbaren Menschen initiiert sein, sie ergeben sich auch aus der Summe von Verhaltensweisen in Gemeinschaften. (Das gilt, wie mir scheint, für die Widerstände ebenso.)

Egal! Ich hab für die letzten zwei Jahrzehnte festgestellt, daß wir in der Steiermark eine kulturpolitische Agonie erleben, die von den primären Kräften (Kunst- und Kulturschaffende) gleichermaßen wie von Politik und Verwaltung gepflegt worden sei.

Ich sehe heute, es ist weitgehend nutzlos, sich in der Praxis damit zu befassen. Man verausgabt sich in den Widerständen, ohne dort was zu bewirken. Der Sekretär in mir neigt zum Verfassen von Protokollen. Es paßt ja auch zu einem Autor, Verläufe in konkreten Zeitfenstern zu dokumentieren.

Parallel dazu geht es mir nun um Neuorientierungen für eine nächste Praxisform, vor allem auch in den Handlungsweisen und konkreten Vorhaben. Meine alte Idee einer regionalen Wissens- und Kulturarbeit, die sich als kollektive Praxis ereignet und so einen Möglichkeitsraum schafft, den wir quer durch die Region gemeinsam beleben, hab ich aufgegeben. Diese Idee taugt nichts mehr.

In seine letzten Zügen hat dieses Konzept bloß dazu geführt, daß man als Motor solcher Modi wie eine Ressource behandelt wird. Interessierte holen für sich an Vorteilen, was ihnen zusagt, tragen aber eher nichts zum kollektiven Modus bei.

Ich mußte erst lernen, das nicht zu beklagen, sondern als den Ausdruck einer Stimmung zu verstehen, die unsere Zeit ausmacht. Im spürbaren Umbruch rennen viele Leute um ihren eigenen Vorteil, weil sie offenbar dem Kollektiv nicht zutrauen, für alle Beteiligten zu sorgen.

Ich denke zwar nach wie vor, daß diese Art Paradigmenwechsel in gegebener Form ein Fehler sei, aber das Konzept wird vielfach als antiquiert angesehen und ist derzeit hinfällig. Das halte ich für geklärt.

Vielleicht ist genau das unvermeidlicher Teil von Umbrüchen. Dieses Fallen vertrauter Konzepte und Modi. Ich hab für mich entschieden, daß ich an der Option kollektiver Wissens- und Kulturarbeit festhalte. Aber es ist nicht mehr einer „Szene“ gewidmet, einer Region, einem größeren Raum.

Ich setze das in konkreten Operationen mit konkreten Einzelpersonen um und füge das gesamte Geschehen zu einem Fluß von Ereignissen, der ganz unterschiedliche Genres berührt, aber kohärent ist. Im nun 19. von den geplanten 20 Jahren des Projektes „The Long Distance Howl“ schließt hier inzwischen das „Prisma“ an: „Eine laufende Erzählung von Martin Krusche“ … [Link]

— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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