Was es wiegt, das hat’s XXXI: Der neue Schweigemarsch

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Man mag sich erinnern, daß sich auf Facebook eine Gruppe unter dem Titel „Schweigemarsch2020“ exponiert hat, an der man sehr schnell ein vertrautes Muster feststellen konnte. Es dauert nur recht kurze Zeit, bis eine Mischung aus Dampf ablassen und Selbstdarstellung dominierte.

August 2008: Eine unserer Stationen bei der „regionale“ („Next Code: Divan“)

Ich hab eben nachgesehen, der letzte Eintrag auf dieser Leiste stammt vom 2.1.2021. Diese FB-Präsenz ist also ein totes Pinboard. So auch einige andere Gruppen dieser Art. Das Genre Schweigemarsch wäre ja eigentlich einem symbolischen Akt gewidmet, über den etwas LAUT werden soll. Etwas. Das würde freilich nach klaren Auffassungen und Intentionen verlangen.

Dampf ablassen und Selbstdarstellung sind zwar verständliche Bedürfnisse, doch wenn sie alleine bleiben, kommt es ungefähr auf das hin, was man bei uns einst „Bassena“ nannte. Die Bassena war zur Zeit meiner Großeltern jene Wasserleitung am Gang, die von einer Gemeinschaft genutzt wurde, bevor die Wohnungen Wasser eingeleitet bekamen.

Ich habe als junger Mensch selbst noch so gewohnt. Das hieß damals „Substandardwohnung“ und war entsprechend billig. Wasser und Klo am Gang. Also traf man sich gelegentlich bei der Bassena. Daher auch der Begriff „Bassena-Tratsch“. Die Bassena war überdies eine Schnittstelle für Selbstdarstellung und für Zank.

Facebook hat in einzelnen Präsenzen das Zeug zur Bassena. In unserer Origami Ninja-Leiste schließe ich gerade das Thema Landesausstellung ab. Diese Glossen gibt es zuerst nur auf Facebook, später aber zusammengefaßt im Austria-Forum. Siehe: „Feuilleton“ (Kulturpolitische Annahmen und Behauptungen)!

Schon im Jahr 2018 hieß es laut einem Sitzungsprotokoll des Landtages: „Das kulturpolitische Projekt wird unter neuem Namen ‚STEIERMARK SCHAU‘ ab 2021 umgesetzt“. Es endet in wenigen Wochen und war vorab mit rund 8,9 Millionen Euro budgetiert.

Bis heute finde ich in meinem Milieu keinerlei Erörterung des Konzeptes und der Umsetzung. Man erinnere sich an die Aufregung rund um der Werden der „Regionale“, die erstmals 2008 stattfand und den alten Typus der steirischen Landesausstellung ablöste.

Jetzt heißt das „Steiermark Schau“. Wenn der Landeskulturreferent dieses Format neuerdings als kulturpolitischen Akt deklariert und ein so namhafter Betrag als Budget veranschlagt wird, muß man dazu nicht auf die Straße gehen. Aber zumindest eine Debatte führen. Nein? Nichts!

Keine Erörterung, weshalb einst die Landesausstellungen abgedreht wurden. Keine Debatte wie das mit der „Regionale“ lief, deren erklärtes Ziel es war, die Gegenwartskunst abseits des Landeszentrums voranzubringen. Keine Diskussion über das neue Format.

Aber auch zu anderen kulturpolitischen Themen von Belang finde ich derzeit keine nachvollziehbaren Äußerungen. Es scheint, als habe das Wort Schweigemarsch beim Kulturvölkchen eine neue Bedeutung erlangt. Schweigen führt zur Stille und Stille zum Stillstand.

— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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