Jahre und Zahlenspiele XV

Maximaltorpedo

Wingsuits. Mir stand das Maul offen, als ich erstmal Videos sah, wie sich Leute mit solcher Ausrüstung von Bergen runterschmeißen. Riesige Flughörnchen. Naja, keine Flieger, Gleiter. Beim radikalen Proximity Flying entlang von Felsgraten und hinein in Schluchten bleibt dann überhaupt kein Spielraum für Fehler.

Man darf eben keine Angst vorm Sterben haben: Wingsuit-Flughörnchen. (Foto: Richard Schneider, CC BY 2.0)

Als Standard gelten rund 130 km/h, die sich mit solchem Outfit erreichen lassen. Wem das nicht reicht, eine Aufrüstung mit Raketen ist möglich. Damit haben Menschen sich wieder jene Dimensionen erschlossen, in denen Flugpioniere einst unterwegs waren, die mit jedem Durchgang ihre Knochen riskierten. Ich denke, mehr Torpedo geht nicht. Ab da bliebe dem Körper nur noch freier Fall und das ist eine andere Baustelle.

Das 1933er Motor-Monster „Blue Bird“ von Sir Malcolm Campbell. (Public Domain)

Ein großes Thema bleibt bis heute der Land Speed Record. Die Motorentechnik sorgte erst noch für Monster wie dieses, laut französischer Pressemeldung: „Le petit Donald Campbell, fils de Sir Malcolm Campbell dans une nouvelle Blue Bird 1933“. Da sitzt also der kleine Donald Campbell, Sohn des Sir Malcolm Campbell, im neuen 1933er Blue Bird.

Das war ein Klassiker meiner Kindertage. Malcolm Campbell fuhr mit Autos und Booten eine große Serie von Rekorden ein und überlebte jede seiner Fahrten. Eine noch härtere Tour war in meiner Teenagerzeit mit dem Namen Gary Gabelich verknüpft. Der machte im Jahr 1970 mit seiner raketengetriebenen Blue Flame auf den Salzseen von Bonneville die 1.000 km/h-Marke flach.

Mehr als tausend km/h schnell: das Raketen-Fahrzeug Blue Flame (GNU 1.2)

In der Folge IV hab ich den Blitzen-Benz vorgestellt, der beide Genres abdeckte, Rennsport-Gerät und Rekordfahrzeug. In der Folge VII sind Streamline und Silberpfeile kurz erläutert. Ab den 1930er Jahren waren somit neue Fahrzeugtypen im Spiel. Bald fand man es nötig, den Bau von Rennwagen strenger zu reglementieren, denn es wurde bei Bewerben ziemlich viel gestorben.

Es ist recht aufschlußreich, sich die Entwicklung der Formel 1-Bestimmungen genauer anzusehen, weil das veranschaulicht, wie die Technik teilweise an die Leine gelegt wurde, zugleich die Effizienzsteigerung Sprünge machte. Eine kleine Übersicht auf Wikipedia: Formel-1-Regeln

Todesfalle für Jochen Rindt: der überaus erfolgreiche Lotus 72/2.

In meiner Lebensgeschichte ist der Tod von Jochen Rindt extra vermerkt, denn der Mann war unser King of Cool. Sitzt in einem Korbsessel, wirre Haare, Heftpflaster im Gesicht, Zigarette im Mund, beendet ganz unaufgeregt das Interview, steigt in seinen Rennwagen, fährt los. So ein Typ war das.

Wenn Darth Vader dienstfrei hat, fährt er Lotus 79. (Foto: Gerhard Szamuhely)

Schließlich: 5. September 1970. Der unverwechselbare Kurs von Monza. Der Lotus 72/2. Ein technisches Gebrechen. Rindt war nur mäßig angegurtet, denn damals hatten alle Fahrer erhebliche Angst vor Feuer. Sie fürchteten, nicht aus dem brennenden Fahrzeug zu kommen, falls was schiefgeht. Rindt wurde in dem losbrechenden Kräftespiel zerschmettert.

Im Jahr 2008 fand ich Gelegenheit, mir im Grazer Stadtmuseum einen solchen Lotus 72 näher anzusehen. Dieser Typ wurde in 75 Rennen eingesetzt und gewann 20davon. Für mich hat er spezielle Bedeutung, weil Jochend Rindt – wie erwähnt – in so einem 72/2 ums Leben kam.

Rasendes Etui: der herausragende Lewis Hamilton im Mercedes-AMG F1 W11 (Foto: Artes Max, CC BY-SA 2.0)

Garagenliebling Gerhard Szamuhely hat in der Sammlung Koller den eines der Folgemodelle fotografiert, den Lotus 79 aus den Jahren 1978 und 1979. (Das scharz-goldene JPS-Design fanden wir als Buben leicht variiert an den Puch Monza-Mopeds. Und manche versuchten mit elegant verpackten JPS-Zigaretten zu renommieren.)

Heute scheint mir, Formel 1-Wagen sind auf Körper geschneiderte Etuis, in die nur mehr zarte, drahtige Leute im Jockey-Format gepackt werden können. [Vorlauf] [Fortsetzung]

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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