Kleben. Sprayen. Schmieren.

Zuspitzung. Das erleben wir alle in Österreich nun seit Jahren. Zuspitzung ist das Hauptereignis politischer Auseinandersetzungen geworden. Wir kommen seit einer Weile gar nicht mehr aus Wahlkampf-Phasen heraus. Permanente Unruhe, in der mittlerweile Gezänk und Marktschreierei eine unerfreulich hohen Anteil haben. Zuspitzung. Zuspitzung. Zuspitzung.

Da überrascht es mich nicht, daß auch unsere Kinder auf eben solche Mittel setzen, um sich mitzuteilen. Wir sind ihnen nun über Jahre prächtige Vorbilder in einer Reihe von Disziplinen, die sich nicht gerade als Tugenden behaupten lassen.

Angeberei, Lobhudeln und Abschätzigkeit, Angriffslust und Leugnen, Reintheatern und Rausreden. Meine Ohren klingeln und meine Augen schmerzen davon, in welchem Ausmaß mir das inzwischen von Leuten vorgeführt wird, die sich für Staatsämter bewerben und dabei Führungsansprüche stellen. Offenbar glauben viele selbst schon, dies sei tatsächlich eine Leistungsschau der „Werte des christlichen Abendlandes“.

Nun diese oststeirische Episode. Sprayer-Aktivitäten und Aufkleber der jungen KPÖ auf Wahlwerbung der ÖVP. Auch Zuspitzung. Unausgereift. Polemisch. Selbstverständlich ist es Unfug, die Politiker Sebastian Kurz und Christoph Stark mit dem Nazismus zu assoziieren. Wer immer da ÖVP-Werbung mit Hakenkreuzen dekoriert hat, wollte also eine kräftige Aussage treffen, ist aber offenbar inhaltlich nicht besonders versiert. Sonst würden nämlich die Spitzen der Hakenkreuze in die richtige Richtung zeigen.

Tun sie aber nicht. Das irrationale Konzept des Faschismus ist hochgradig Symbolpolitik, also sollten sich jene, die sich für Antifaschisten halten, mit Symbolen auskennen. Aber da wollte jemand etwas sagen. Und zwar im öffentlichen Raum, als Teil öffentlicher Diskurse. Mit polemischen Mittel, mit geringem Aufwand. Was wollte da gesagt werden?

Klar, Wahlkampf ist keine Zeit des Dialoges, sondern eine Zeit der Mitteilungen. Es geht um Broadcasting. EIN Sender sucht sich möglichst VIELE Empfänger. Man möchte gewinnen. (Und wer die Konkurrenz „Mitbewerber“ nennt, ist ein Heuchler.)

Es werden astronomische Geldsummen bewegt, um all diese Mitteilungen möglichst wirkungsvoll in den öffentlichen Raum zu schaufeln, in diesen Raum, der uns allen gehört, in dem wir leben. Die Mittel dazu kommen, wie wir von letzten Wahlkämpfen wissen, teilweise aus dubiosen Quellen und waren mitunter ganz erheblichen Regelverletzungen zu verdanken, um sich uns mitzuteilen, auch aufzudrängen.

Das macht die Aktionen der Kleber, Sprayer und Schmierer nicht legitimer und wertet sie auch inhaltliche nicht auf. Es verdeutlicht bloß den Kontext und beleuchtet die Ungleichheit der zur Wirkung kommenden Mittel.

Bleiben wir der Einfachheit halber bei der Annahme, hier seien junge Leute aktiv geworden. (Wir wissen im Moment noch nicht, wer es war.) Freilich kann man ihnen etwas von der Polizei ausrichten lassen und Schwamm drüber, um zu hoffen, darin läge eine Lektion, die Wirkung zeigt.

Allerdings blieben dabei etliche Junge über, die etwas zu sagen haben, auch wenn sie es nicht geschickt angegangen sind. Vielleicht wäre ihnen auszurichten:

„Momentan kann und will ich euch nicht zuhören, das müßt ihr hinnehmen, denn es ist Wahlkampf und ich möchte in zwei Wochen zu einer Siegerpartie gehören. Aber wenn das erledigt ist, werde ich euch zuhören. Nützt diese Zeit und überlegt euch genauer, was ihr zu sagen habt. Es sollte mehr taugen als die paar Aufkleber und diese Sprühmarken. Ich werde nicht versuchen, euch zu belehren, sondern einen Eindruck zu hinterlassen, der euch nachdenklich stimmt.“

Kann man machen, muß man aber nicht. Falls die Youngsters ausgeforscht werden, blüht ihnen vermutlich ein Packerl Sozialstunden. Das sollte kein Problem sein. Bliebe noch zu klären, was Politik derzeit will und kann. Damit meine ich nicht das, was mir an Slogans zugemutet wird, an Wahlkampfposen und vollmundigen Behauptungen. Ich meine erfahrbare Realpolitik.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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