Schlagwort-Archiv: veronica kaup-hasler

Wovon handelt Kulturpolitik? #16

Ich erinnere mich an eine Debatte, da wurde Veronica Kaup-Hasler, der Intendantin des Festivals „steirischer herbst“, ausgerichtet, sie möge doch im Programm auch Kunstschaffende aus der Steiermark ausreichend berücksichtigen. Es stecke ja viel steirisches Kulturbudget im „herbst“, auch reichlich heimische Sponsorgelder, selbst der Name des Festivals berge einen Hinweis auf diese Verpflichtung.

Kaup-Hasler sah das anders und antwortete sinngemäß, dieses Festival sei nicht als Schaufenster für steirische Kunstschaffende konzipiert. Darin liegt u.a. die Frage, ob denn Herkunft und Wohnort Kategorien der Kunst seien und welche Rolle diese Kriterien spielen sollten, falls Veranstaltungen nicht ausdrücklich einem bestimmten Ort oder einer bestimmten Region gewidmet sind.

Unser Landeskulturförderungsgesetz vom 24. Mai 2005 ist selbstverständlich dem Kunst- und Kulturgeschehen der Steiermark gewidmet, verzichtet aber auf derartige Bindungen; mit zwei Ausnahmen.

Eine davon ist der Absatz 5 des § 1, der lautet:
>>5. die Erhaltung und Nutzung des kulturellen Erbes des Landes Steiermark als ein bestimmendes Element des gegenwärtigen Selbstverständnisses mit dem Ziel, diese Einrichtungen, Errungenschaften und Werke für die Gegenwart zu erschließen und kulturell produktiver Nutzung verfügbar zu machen;<< [Quelle]

Die andere Ausnahme betrifft speziell den § 13 Joanneumsfonds:
>>Unter wertvollem Kulturgut sind hierbei Gegenstände zu verstehen, die Einzelstücke von internationaler Bedeutung darstellen oder in einer besonderen geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Beziehung zur Steiermark stehen.<<

Ansonsten besagt das Gesetz nicht, daß Leute aus der Steiermark in Fragen der Förderung einen speziellen Status hätten. Es wird wohl auch gewöhnlich keinen „Graz-Bonus“ geben. (Ob es einen „Wien-Bonus“ gibt, wäre zu klären.)

Aber darf eine Intendantin all das unwidersprochen so auslegen, wie es Kaup-Hasler getan hat? Steht es einem Kurator zu, seine Auswahlkriterien enger zu fassen, als die Kunstschaffenden, die ihm Werke anbieten? Welche Rolle spielen bei all dem die Geldquellen, die eine Kunstveranstaltung, ein Festival überhaupt erst ermöglichen?

Geld! Als wir in Gleisdorf 2007 erstmals eine Kooperation mit dem Festival „steirischer herbst“ zustande brachten, während die Gruppe „K.U.L.M.“ (nach mehreren Jahren der „herbst“-Kooperation) keinen Vertrag erhielt, richtete uns Kollege Richard Frankenberger via „Kleine Zeitung“ aus, Gleisdorf habe sich in das Festival eingekauft.

(Quelle: Kleine Zeitung)

Ein Zitat aus meinem Projekt-Logbuch von 2007:
>>Auf dem Kunstfeld unterstellt „sich einkaufen“, daß man kraft des Geldes und nicht kraft eines künstlerischen Konzeptes und einschlägiger Kompetenzen da oder dort dabei sei.<< [Quelle]

Es unterstellt also etwas Anrüchiges. Damit war erstens unser Projekt inhaltlich berührt, zweitens die Kompetenz des zuständigen Dramaturgen Florian Malzacher und der Intendantin. Oder sollte es bloß zur Debatte stellen, daß im Kunstbetrieb letztlich Geld entscheidet?

Dramaturg Florian Malzacher

Malzacher antwortete damals unter anderem:
>>Veronica hat dabei immer klar gesagt, dass es grundsätzlich keinen Automatismus in der Zusammenarbeit gibt, sondern, dass der herbst immer neu entscheidet, welche Konzepte für ihn interessant sind.<< [Quelle]

Meine aktuelle Kontroverse [link] mit Regisseur Heinz Trenczak, in der er mir mittlerweile sogar mit juristischen Schritten winkt [link], dreht sich um eben dieses Thema. Wird in einem Kuratorium, in einer Intendanz politisch willfährig gehandelt? Werden Wünsche von Sponsoren und Förderern womöglich über die berechtigten Anliegen von Kunstschaffenden gestellt?

Das ist der eine Themenkomplex, den wir debattieren könnten. Der andere betrifft Entscheidungsgrundlagen. Künstlerische Kriterien. „Diagonale“-Intendantin Barbara Pichler, die der Anlaß meiner Kontroverse mit Trenczak ist, schrieb mir dazu vom „formalen Diskurs und die – zugegebenermaßen subjektive(n) – Qualitätsfrage“.

Ja. Ist genau das Verhandlungssache? Öffentlich? Filmkritiker Reini Urban notierte dazu: >>Politisch und aktuell wichtige Filme haben andere Kriterien. Sie dienen als Diskussionspunkt für das Publikum. Es geht um die Sache, nicht um die Vermittlung. Das Publikum ist intelligent genug, das unterscheiden zu können.<<

Das ist ein interessanter Punkt, weil er etwa manche Dokumentarfilme aus einem ästhetischen Diskurs herausnimmt und andere Gründe einer Publikation betont. Ich widerspreche dem gar nicht, weil mir diese Ansicht gefällt.

Urban weiter:
>>Die subjektiven Entscheidungskriterien aus ästhetischer Sicht öffentlich zu begründen wäre mutig. Dazu wird man meist von verärgerten Abgelehnten mit Beziehungen aufgefordert, das macht man normalerweise nicht. Aber für die subjektive – Qualitätsfrage vor einer Öffentlichkeit zu führen, die diesen Wissensstand nicht hat, das wäre wirkliche spannende Filmvermittlung.<<

Da stimme ich ihm völlig zu. Das wäre auch für übrige Kunstgenres wünschenswert. Und ich bin sicher, das ließe sich herbeiführen. Wir müßten es eben wollen und dafür adäquate Rahmenbedingungen schaffen. Ich habe keinen Zweifel, daß sich allerhand Leute aus der Kunstvermittlung darauf einließen.

Wäre ich Kurator, würde ich mich allerdings fragen: Interessiert mich das gerade? Wurde das vereinbart? Habe ich dafür Zeit? Werde ich dafür bezahlt? Aber das sind ja beantwortbare Fragen.

Was bedeutet es in möglicher Konsequenz, falls jemand dieses Ansinnen ausschlägt? Kann sich eine Intendantin, ein Kurator auf seine Bestellung berufen, auf eigenen Kriterien bestehen und Kunstschaffende, denen das mißfällt, an jene verweisen, die sie oder ihn engagiert haben?

Sollen Leute in solchen Positionen ihre Kriterien bei Dienstantritt zur Debatte stellen? Wo? Wem? Oder sollen sie sich während ihrer laufenden Amtszeit gelegentlich der Diskussion stellen? Würde ich selbst so einen Modus angemessen finden und akzeptieren?

Ich bin ja nicht nur Künstler, sondern auch entscheidende Kraft in Projekten, an dem andere Kunstschaffende teilnehmen, die ich auswähle. Ich tue das unter anderem AUCH gestützt auf Landesmittel, AUCH mit Sponsorengeldern.

Trenczak schrieb: „ich polemisiere seit jahren gegen das sog. intendanzprinzip beim festival des österr. films in graz.“ Durch welchen Modus sollte dieses Prinzip ersetzt werden? (Ich würde gerne sein „Gegenmodell“ kennenlernen!)

Was könnten wir den Leuten der Kunstvermittlung allenfalls im Gegenzug anbieten? Genauer: Welches Verhältnis wünschen wir Kunstschaffende uns mit a) Intendantinnen und Kuratoren, b) geldgebenden Instanzen und c) untereinander, um die kulturelle und kulturpolitische Gesamtsituation auf einen neuen Status zu bringen?

Da sind anscheinend eine Menge Fragen offen. Einige davon habe ich hier vorgelegt. Mich würden Antworten interessieren; auch jene, die einander womöglich widersprechen.

[überblick]

Die Künstlerhaus-Debatte

Über das Wollen, das Können und das Werden

Da war nun dieses kulturpolitische Arbeitspapier „Zur Lage der bildenden Kunst in Graz“ erschienen, in dem einige exponierte Kulturschaffende den Status quo skizziert haben: [link] Gegen Ende voriger Woche hat, so höre ich, Joanneum-Boss Peter Pakesch auf das Papier geantwortet. Diese Antwort ist leider bisher im öffentlichen Diskurs nicht aufgetaucht.

Peter Pakesch läßt wissen, daß er sich sein Leben auch gut ohne das Künstlerhaus vorstellen kann

Ich denke, es bleibt unverzichtbar, alle vertretenen Positionen auch sichtbar zu machen. Die IG Kultur Steiermark hat einiges an Statements und Presse-Reaktionen zusammengetragen, im Web deponiert: [link] Andere Akteurinnen und Akteure dieses Diskussions- und Klärungsprozesses zeigen sich in ihren Äußerungen noch sehr zurückhaltend.

Von APA/OTS kam kürzlich eine Meldung, die in manchen Punkten nachdenklich stimmt. Zum Beispiel: „So forderte die IG Kultur, das seit 2003 dem Joanneum zugeordnete Ausstellungshaus am Stadtpark lokalen Kulturschaffenden zur Verfügung zu stellen. Anita Hofer von der IG Kultur meint,…“ [Quelle]

Das halte ich für problematisch, denn „lokale Kulturschaffende“ wären jene von Graz, womit auch die IG Kultur Steiermark schon wieder einmal die Steiermark ausgeblendet hätte. Immerhin hieß es an anderer Stelle: „die Öffnung für die gesamte künstlerische Szene der Steiermark“, was offenbar den Leuten in der Grazer Szene nicht ganz selbstverständlich über die Lippen kommt.

In der OTS-Meldung heißt es weiters: „Am Kunsthaus Graz ‚sehen wir ja, wie so etwas läuft’, so Hofer: ‚Steirische Künstler haben kaum Chancen, dort auszustellen.’“ Da wäre freilich, mit Verlaub, einmal zu debattieren, warum Grazer Kunstschaffende vor allem in Graz mehr Ausstellungsmöglichkeiten haben sollen, anstatt sich zu rüsten, an anderen Orten und auch möglichst weit weg auszustellen.

Veronica Kaup-Hasler fühlt sich eher nicht prinzipiell für eine steirische Heimwerker-Bewegung zuständig

Eine Frage, in der schon Veronica Kaup-Hasler, der Intendantin des Festivals „steirischer herbst“, seinerzeit übel genommen wurde, daß sie auf ein ähnliches Anliegen hin wissen ließ, dieses Festival sei nicht primär als Schaufenster für heimische Kräfte konzipiert.

In gewissem Sinne wäre es sogar interessant auszuloten, was geschähe, wenn heimischen Leuten zuhause nur kleine Locations zum Üben verfügbar gemacht würden, es ihnen aber ansonsten möglichst schwer fallen solle, vor der eigenen Haustür auszustellen, um ihnen Geschmack an der Ferne nahezulegen. (Drohrufe, Verwünschungen und Briefbomben für mich bitte an das Salzamt adressieren!)

Zur Sache! Wir erfahren von Pakesch überraschend: „Wir sind auch nicht böse, wenn wir das Künstlerhaus wieder los sind. Wir haben ohnehin genug zu tun.“

Das hat doch Charme! Die Zeit wäre eventuell reif, Pakesch darin beim Wort zu nehmen, sich selbst die Verantwortung für so ein bemerkenswertes Haus aufzubürden. Ja, eine Bürde ganz bestimmt, denn solcher Strukturen Vorteile zu konsumieren ist eine viel gemütlichere Hackn, als sie Jahr um Jahr in Gang und in Schuß zu halten.

Ich habe inzwischen schon den Ruf nach Selbstverwaltung hören können. Prima!

Offen gesagt, als vor einer Weile zu lesen war, daß steirische Kunstschaffende nun einig seien: „Wir holen uns die Selbstverantwortung für unsere Arbeit zurück!“, habe ich erstmals heiße Tränen der Rührung in mein Taschentuch geweint. Warum hatten wir sie so lange nicht, die Selbstverantwortung? Wer hatte sie uns geraubt? Jetzt aber!

Christian Buchmann tut jetzt genau das, was wir von einem Landeskulturreferenten erwarten würden: Er bittet den Landeskulturbeirat, die eingegangenen Konzepte zu prüfen.

Scherzchen beiseite, das sind ja ernste Angelegenheiten. Landeskulturreferent Christian Buchmann ergänzte eben meine Notizen auf INFOGRAZ um eine Stellungnahme: „…aktuell liegen mir sechs Konzepte für eine zukünftige Positionierung des Künstlerhauses vor. Es sind dies Konzepte von
den Künstlervereinigungen (Dr. Beate Landen)
von Luise Kloos, Erika Lojen, Edith Temmel
von der IG Kultur
vom Grazer Stadtmuseum
vom Künstler-Paar Nestler-Rebeau
und vom Universalmuseum.

Diese Konzepte wurden von mir am 2. November an den Landeskulturbeirat weitergeleitet, den ich um eine Expertise zu den Konzepten bis Ende des Jahres ersucht habe.“ [Quelle]

Der Beirat wurde heuer im Frühjahr neu besetzt: [link] Unter diesem Link findet man auch ein downloadbares PDF-Dokument mit einem aktuellen Mission Statement des Landeskulturbeirates. Angesichts des personellen Status dieser Instanz wird es mit gängigen Verschwörungstheorien etwas langweilig.

Freilich gibt es die absolute Killerapplikation der Auguren, Blitzgneißer und Propheten, nämlich ein Ansichtenbündel, wonach das alles nur Getöse sei, eine Inszenierung, die bemänteln solle, daß Entscheidungen hinter den Kulissen längst gefallen seien, daß diese nun bloß noch von quasidemokratischen Prozessen bemäntelt und legitimiert werden sollen.

Vorzüglich nutzbarer Raum in günstiger Lage: Das Künstlerhaus Graz

Das Bequeme an solchen Verschwörungstheorien ist, daß sie niemals entkräftet werden und so auch nicht aus der Welt geschafft werden können, ganz egal, wie sehr sich diese oder jene Menschen in der Sache anstrengen. Deshalb sind mir Verschwörungstheoretiker so suspekt. Sie betreiben ein dubioses Geschäft, welches kaum angemessen überprüft werden kann.

Da bewegen wir uns also jetzt im Bereich von Glaubensgegenständen, zu denen jemand vor allem einmal sein eigenes Credo einreihen kann. Ich mach das hier gleich: Diese lahme Verschwörungstheoretisiererei ist eine letzte Zuflucht jener, die sich nicht aufraffen möchten, um Klärungen zu ringen. Selbst ein inspirierender Dissens ist harte Arbeit. Diese Arbeit muß nun gemacht werden. Schauen wir, dann sehn wir schon!

[Die Debatte: Übersicht]