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schock-allianz #2

was für tage! ich bin noch stark unter dem eindruck der jüngsten serbien-reise, wo wir unter anderem die nächsten schritte für die schock-allianz debattiert haben. eine prozeßhafte kooperation verschiedener kunst-inititiativen, bei unseren südslawischen nachbarn allerdings stark geprägt von den bedingungen einer post-kriegs-gesellschaft.

doch wie bei dieser reise, so hab ich auch davor, während der besuche in bosnien und im kosovo, unmißverständlich erfahren: die traumata sind realität, aber niemand kann sich längerfristig über gesellschaftliche defizite und die radikalen erlebnisse im krieg definieren. also ist da ein massives ringen um perspektiven und um neue möglichkeiten. (siehe dazu auch: jenseits der zentren!)

im ersten beitrag zur "schock-allianz": der fotograf gerhard gross (hier in gornji milanovac), zur abwechslung einmal als objekt einer ausstellung

das bedeutet unter anderem, und das verbindet uns auf jeden fall, daß wir strategien suchen und erproben, wie ein zeitgemäßes kunstgeschehen sich behaupten kann, wie es wenigstens etwas boden sichern kann, wenn die ressourcen und rahmenbedingungen dafür sich verschlechtern. unser österreichischer einstiegsbeitrag zu diesem projekt greift das motiv der „verschwundenen galerie“ auf.

das bedeutet, die exponate stecken in einer kiste, die ganze ausstellung ist in den „privaten raum“ verfrachtet, dem öffentlichen raum entzogen, und nur über das web bekommen man einblick, wovon die ausstellung handelt. [link]

wäre die kiste öffentliche zugänglich, könnte man wenigstens durch seitliche „bullaugen“ einen blick auf den inhalt erhaschen. so aber ist die künstlerische vermitllungsarbeit zwar nicht völlig stillgelegt, doch mangels ressourcen dem öffentlichen leben vorenthalten.

der russische künstler sergey yugov im kontext des ursprungsprojektes

ich habe diese verfahrensweise 2003 entwickelt, um damals (im rahmen von „graz 2003: kulturhauptstadt europas“) auszudrücken, daß wir jenseits der zentren praktisch keine adäquaten räume zur vermittlung von kunst, spezielle bildender kunst, haben. dieses defizit hat sich zwar punktuell etwas gemildert, doch aktuell sind diese zarten strukturen schon weider bedroht. hier ein kleiner überblick der 2003er-sessions: [link]

nun gehen wir mit unseren südslawischen nachbarn daran, aktuell auszuloten, was uns an möglichkeiten und handlungsspielräumen bleibt, zwischen „low budget“ und „no budget“ die dinge voranzubringen; und zwar ganz unabhängig davon, ob momentan eine reale kulturpolitik uns dabei entgegenkommt oder auf distanz hält.

ich denke, aus diesen erfahrungszusammenhängen heraus lassen sich dann auch unsere positionen gegenüber der politik neu entwerfen. (siehe dazu auch: das kühle extrazimmer #7!)

— [schock-allianz #1] —

jenseits der zentren

warum führen wir gerade arbeitsgespräche in serbien, wo “kunst ost” doch eine regionale kulturinitiative ist? wir befinden uns momentan in novi sad, der hauptstadt der vojvodina. die stadt ist von der dimension her mit graz vergleichbar. die provinz vojvodina wird von der eu einer „zukunftsregion“ zugerechnet: „Die heute abgesegneten Projekte sehen u.a. eine Bio-Großregion vor, die vom Veneto und Friaul über die Steiermark bis Ungarn und die Vojvodina reicht.“ [quelle]

auf der „matriosca“-website finde ich in der liste der projekt-partner die vojvodina noch uner dem länderkürzel SCG, was serbien und montenegro (crna gora) als gemeinsamen staat meint. das hat sich ja schon vor einem weilchen geändert, montenegro erlangte 2006 eigenstaatlichkeit.

im vordergrund: nikola dzafo (links) und zmuc radionica

in diesem jetzt nicht rasend wichtigen detail liegt aber ein hinweis darauf, warum wir kulturellen austausch mit leuten aus serbien pflegen. es sind nicht die kriterien der verwaltung bestehender eu-projekte, die uns das nahelegenen. doch wie oft hat man gelegenheit, einem tatsächlichen „nation-building“ beizuwohnen? hier entstehen gerade neue nationalstaaten, die darum ringen, ihre kriegs-traumata hinter sich zu lassen.

in diesen situationen, die von mangel und konflikten geprägt sind, hat die gegenwartskunst nicht gerade hohe priorität. das drückt sich einerseits im eklatanten ressourcen-mangel aus, andrerseits sind bestehende strukturen teilweise ausgetrocknet, sogar stillgelegt. dazu kommt für kunstschaffende aus dem südslawischen raum, daß sie von gesellschaftlich ganz anderen schwerpunkten geprägt wurden, was in der begegnung, teils konfrontation, mit dem „westlichen“ kunstmarkt zu kuriosen situationen führt.

wir haben nun seitens „kunst ost“ gute gründe, die debatten und den erfahrungsaustausch mit kulturschaffenen zu suchen, die sich unter diesen bedingungen kulturpolitischen fragen widmen. das ist aber nur ein aspekt, nämlich die frage, wovon denn kulturpolitik heute handeln solle. es geht ferner um strategien und praktische konzepte für ein kunstgeschehen, das sich nicht völlig den dominanten marktmechanismen ausliefern möchte.

es geht mutmaßlich auch um manche unterscheidungen zwischen gegenwartskunst und voluntary arts. was den „profi-bereich“ betrifft, stellt sich die frage, welche art broterwerb sich für kunstschaffende als machbar erweist. nun ist dieser erweb, also ein jahreseinkommen, das uns ökonomisch überleben läßt, keine kategorie der kunst, sondern eine soziale kategorie. aber es wird einleuchten, daß viele leute, die sich nicht auf den kunstmarkt allein als einkommensquele verlassen möchten, wenigstens kunstnahe arbeitsbereiche suchen, um sich da ihren lebensunterhalt zu verdienen.

darka radosavljevic vasiljevic (links) und mirjana peitler-selakov

jenseits dieser individuellen fragestellungen bleibt natürlich auch die anforderung bestehen, ob sich ein kulturbetrieb völlig in die zentren zurückzieht, wo er durch eine erhöhte konzentration der mittel und möglichkeiten handlungsspielraum hat. oder finden wir angemessene strategien, um auch in der sogenannten „provinz“, also jenseits der landeszentren, kulturelle prozesse zu initiieren und zu konsolidieren?

solchen überlegungen widmet sich zum beispiel momentan die sehr erfahrene kunsthistorikerin und kuratorin darka radosavljevic vasiljevic, welche eine der maßgeblichen akteurinnen war, um die belgrader kunsteinrichtung remontaufzubauen. da bahnt sich ein spezieller austausch an.

wir haben also gute gründe, uns über die landesgrenzen hinweg mit engagierten und kompetenten leuten des kunstfeldes zu verständigen, um im laufenden erfahrungsaustausch eher herauszufinden, was unseren regional vereinbarten zielen nützt. ich darf auch davon ausgehen, daß das im geist jener intentionen angelegt ist, die auf landesebene überhaupt erst zu einem LEADER-kulturprogramm geführt haben …

— [balkan buro: šok alijansa] —

das kühle extrazimmer 7

ob „kunst ost“ eine netzkultur-initiative ist? bis heute nur in ansätzen. ich würde das augenblicklich noch kein beispiel für „best practice“ nennen. doch wir sind auf dem weg. erinnern sie sich an die drei C, die ich im beitrag #3 dargelegt habe? „CCC“ meint „content, community, contiunity“.

detail aus der "art klinika" (novi sad)

welches setup weist bei uns nun richtung netzkultur? wir stützen uns momentan auf zwei websites. diese hier (kunstost.at) ist die „hauptbühne“ auf basis einer datenbank; ein „content management system“. dahinter gibt es eine art „arbeitszimmer“ auf konventioneller html-basis: van.at/kunst/ost

dazu bereiten wir mit kollegin nina strassegger-tipl heuer eine web-evidenz für kreative der „kunst ost“-basis vor. einzelportraits und features, die ihrerseits zu den persönlichen/privaten websites der leute verzweigen.

dieses weitreichende fundament im web wird noch durch eine präsenz auf „facebook“ ergänzt: [link] eine sehr dynamische ebene, umschlagplatz für informationen, auch raum für eine ansatzweise debatte über kunst, vor allem aber ein „geselliges eck“.

detail aus der „art klinika“ (novi sad)

es läßt sich also nach zwei jahren intensiverer aufbauarbeit zeigen, daß „kunst ost“ sich einige wichtige grundlagen geschaffen hat, auf die sich eine netzkulturinitiative stützen sollte. das meint, es gibt verschiedene personen-kreise im realraum, die über eine mehrschichtige struktur im internet verbindung halten und dort ihr tun darstellen.

was noch eine kluge ergänzung all dessen wäre: daß es im web auch spezifische werke dieser community gäbe, die nur in binär codierter form, also digital, voliegen. wichtig scheint mir ferner, daß sich beispiele „kollektiver kreativität“ zeigen würden, die sich über web-stützung etablieren.

dabei spielen telekommunikation und teleworking wichtige rollen. einen ansatz dazu haben wir nun beispielsweise in der grenzüberschreitenden „Šok alijansa“, der „schock-allianz“, die uns mit mehreren südslawischen kulturschaffenden verknüpft: [link]

„netzkultur“ meint aus meiner sicht vernetzungs-strategien in realer sozialer begegnung, ergänzt um angemessene verzweigungen ins web; zuzüglich eine auch künstlerische nutzung von digital-medien, also von binär codierten darstellungsformen.

das sollte im günstigstens fall ebenso von „medienkonvergenz“ handeln, also vom ineinandergehen verschiedener medien, wie es eben erst durch den gemeinsamen binärcode und den gemeinsamen maschinen-systemen möglich ist. (das werde ich bei nächster gelegenheit noch etwas genauer ausführen.)

[NETZKULTUR: der überblick]