Die sollen kämpfen! IV

Ich hab schon klargestellt, daß mir hier in Österreich niemand was vom Kämpfen erzählen soll, wie es in Afghanistan nun nötig sei. Solches Geschwätz macht mir Kopfschmerzen. Ich weiß, wenn bewaffnete Aggressoren vor dem Haus stehen, ist mit Worten nichts mehr zu erreichen. Ich hab aber – mangels Sachkenntnis – über asymmetrische Kriegsführung nichts zu sagen.

Es wird Leute geben, die sich damit auskennen. Ich erinnere mich an ein interessantes Gespräch, das ich vor wenigen Jahren mit einem freundlichen Juden geführt habe, der offenbar etliche Zeit zu einem israelischen Spezialkommando gehört hat. Das sind Angelegenheiten, die außerhalb dessen rangieren, was ich kenne und mir vorstellen kann.

Wie soll ich nun beurteilen, was mir medial vermittelt, auch aufgedrängt wird? Ohne eigene Anschauung kann ich über Afghanistan keine fundierten Aussagen treffen. Vielen Kolportagen mißtraue ich.

Eben hörte ich Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel in einer Rede zu Afghanistan sagen, deutsche Truppen hätten da bezüglich Terrorbekämpfung einen guten Job gemacht, von dort gehe nun kein Terrorismus mehr aus. (Gleich bei Minute 1:30 der Regierungserklärung erwähnt sie Nine-Eleven, mit dem Afghanistan überhaupt nichts zu tun hatte.)

Was redet Merkel da? Welche Afghanen haben denn in Europa oder in den USA Terroranschläge verübt? (Mir ist nichts von einem afghanischen Terror bekannt, nicht einmal von Trainingslagern für Terroristen.) Was wird da in die Welt gesetzt? Wer ist die „Internationale Gemeinschaft“, die Merkel erwähnt und wer nicht? Wer sind denn nun „ Die Afghanen“?

Die Afghanen
Sehe ich mir eine Liste der dort lebenden Ethnien an, schwirrt mir der Kopf, so viele sind das. Und die sollen in Summe ein Volk im Sinn dessen ergeben, was wir uns im Westen unter „Staatsvolk“ vorstellen? Das hielte ich für eine etwas infantile Idee.

Rechne ich ein, daß in dieser Gegend die agrarische Welt vorherrscht, ergo Clan-Strukturen die wichtigsten Gemeinschaftsformen ausmachen, entspricht das alles naturgemäß nicht dem, wie wir uns die Bevölkerung eines modernen, industrialisierten Zentralstaates vorstellen. Ist nun unser im Nationalismus geschmiedeter Nationsbegriff der Weisheit letzter Schluß?

Das Mittelalter
Wer von uns aus auf eine bäuerliche Gesellschaft herunterblickt und dabei schlampig etwas von „Mittelalter“ daherschwafelt, um das als Schimpfwort zu etablieren, hat erstens keine Ahnung vom Mittelalter und dessen Facetten, hat zweitens im eigenen Kopf gelöscht, wie bei uns in der agrarischen Welt eben noch gelebt wurde; wenigstens bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Solche eurozentristische Arroganz geht mir entsetzlich auf den Geist. Wir müssen nun nicht debattieren, was die Lebensbedingungen von Frauen in Afghanistan angeht. Es steht völlig außer Streit, daß diese Situation unerträglich ist.

Ich darf zumindest daran erinnern, daß es unzähligen Frauen und Mädchen bei uns kaum sehr viel besser ginge, hätten wir nicht so langsam eine adäquate Gesetzeslage und einen langsam wachsenden gesellschaftlichen Konsens darüber, was Frauen zusteht. Ohne entsprechende Wucht im Bestreben zahlloser Frauen, von denen viele dafür einen hohen Preis gezahlt haben, wären wir da aber längst noch nicht angekommen.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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