Umbruch: Schritte nach außen

Mein Motto muß mehr denn je lauten: Aufwertung des Kulturbereiches in einer Abwärtsbewegung der Budgets. Wie kann das gehen? Meine bevorzugte Mutmaßung: Nur durch rigorose inhaltliche Arbeit und angemessene Kooperationen. Einen anderen Weg sehe ich derzeit nicht.

Das Publikum dieser Website schwankt, doch kommen allerweil einige hundert Leute zusammen. Auf Facebook hat kunst ost rund 270 Mitglieder. Zum Vergleich: KOMM.ST hat zirka 230, styrian summer art 240. Bei der Galerie einraum sind es dort etwa 300.

An all diesen Communities überschneidet sich gewiß einiges. Aber wären dabei bloß 50 bis 70 Leute, denen Kunst und Kunstvermittlung ein wichtiges Thema ist, die sich demnach nicht bloß als Publikum verstehen, läge darin schon ein erhebliches Potential, um in der Steiermark kulturpolitische Schubkraft zu generieren.

Damit meine ich keinen halbherzigen Aktionismus, der sich drei Mal im Jahr auf der Straße verausgabt. Damit meine ich eine konsequente Arbeit an Inhalten und an künstlerischen Strategien. Derlei Diskurse finden aber nicht statt. Und falls sie gelegentlich vorkommen, finden sie kaum Wege in die Öffentlichkeit. Schritte nach außen bleiben die Ausnahme.

Ich erinnere mich an frühe Jahre der Netzkultur, in denen eine gewisse Abschätzigkeit gegenüber „Saugern“ herrschte. Das meinte Leute, die aus dem Netz nur Informationen beziehen, aber keine beisteuern. Eine aktive Diskussions- und Informationskultur hat sich seither nicht gerade durchgesetzt. Der größte Teil kultureller Netizens besteht aus „Saugern“.

Nimmt man Graz genauer in Augenschein, zeigen auch einschlägige Kollektive kaum Flagge. Die IG Kultur Steiermark auf Facebook: rund 320 Mitglieder. (Kein Diskurs!) KIG! Kultur in Graz: rund 2.540. Da verspricht etwa ein Hinweis auf einen „Nachmittag mit Schablonen, Adbusting und Guerilla Gardening“ interessante Optionen: „Kultur in Graz! untersucht die Schnittstellen von Kunst und politischem Aktivismus, wo sich viele neue Formen der Reflexion und Reaktion auf gesellschaftliche Prozesse entwickeln.“

Was also entwickelt sich an Neuem? Was haben die Untersuchungen erbracht? Ergebnisse dessen kann ich leider nicht finden. Nehmen wir einfach an, daß es sie gibt, auch wenn sie in keinen öffentlichen kulturpolitischen Diskurs einfließen.

Ein Blick zur Berufsvereinigung der Bildenden KünstlerInnen LV Steiermark auf Facebook, ganze 60 „Likes“. Das ist immerhin einer der fünf Verbände, die uns wissen lassen, sie würde etwa 400 Kunstschaffende der Steiermark repräsentieren.

Da waren in letzter Zeit allerhand Polemiken rund um das Grazer Künstlerhaus: [link] Aber Beiträge zu Fragen des Status quo der Kunst kommen nicht vor, Fragen der Kunstvermittlung betreffen bestenfalls das eigene Klientel, keine allgemeinen steirischen Zusammenhänge stehen zur Debatte.

Ein weiterer dieser Verbände ist der Künstlerbund Graz: 76 „Likes“, kein Diskurs. („Graz wurde 2003 Europäische Kulturhauptstadt – auch der Künstlerbund hat zum Image der Stadt als ‚Kulturstadt’ beigetragen.“) Ich bleibe ratlos, was derlei selbstreferenzielle Auftritte am Lauf der Dinge günstiges bewirken können.

Wie schlagen die Uhren im Hause eines Kunstsammlers?

In seinem Intro zu unserem kommenden Symposion schrieb Kunstsammler Erich Wolf: „Vergleichbar mit den Finanzmärkten in 2008 sind weltweit die Kunstmärkte seit Jahren entkoppelt, haben keinen Realitätsbezug mehr, sind die Spielwiese von Fondsmanagern und Spekulanten.“ [Quelle]

Dieser Mißstand hat auch seine Entsprechungen auf regionalen Ebenen. Dazu kommt eine Belastungssituation aus a) steirischen der Verwaltungsreform, b) dem nächsten steirischen Doppelbudget 2013/14, daß enorm gekürzt werden muß, um den Maastricht-Kriterien gerecht zu werden, und c) seit Jahren ganz generell eine zunehmende Abwertung von Wissensarbeit. Siehe dazu: [link]

Wie sich zeigt, darf ich nicht damit rechnen, daß etablierte steirische Formationen des Kunstfeldes mir in solchen Fragen momentan adäquate Anregungen bieten. Das könnte auch bedeuten, derlei Formationen haben sich weitgehend überlebt. Wenn es das Hauptereignis von solchen Verbänden ist, sich selbst zu verwalten, um ihren Fortbestand zu sichern, wenn sich daneben weder künstlerische noch kulturpolitische Positionen finden und erörtern ließen, wäre das ein Alarmzeichen höchsten Ranges.

Es müßte auch zur Frage führen, wodurch die Kofinanzierung solcher Projekte mit öffentlichen Geldern gerechtfertigt sei. Kann es eine Debatte solcher Überlegungen geben? Ist das zulässig?

Es muß klar sein und sei hier offen gesagt: Die kommenden Jahre werden von allerhand Verdrängungssituationen geprägt sein, von Konkurrenzkämpfen, die in ihrer Härte sprunghaft zulegen werden. Das bedeutet, es fallen JETZT Entscheidungen, in welchem Stil diese Situation von den Akteurinnen und Akteuren des Kunstfeldes abgearbeitet werden wird.

— [den umbruch surfen] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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