Vorspann: Die kleine Grablaterne ist ein Praxisbeispiel für jene Deutungs-Praktik, die in der Kunsttheorie von Boris Groys als das Wechselspiel zwischen Valorisierung und Trivialisierung beschrieben steht.

Albrecht Dürers Studie „Betende Hände“ ist ein Blatt, das a) valorisiert, also zum Kunstwerk aufgewertet wurde, und b) kanonisiert ist. Das bedeutet, es steht als Kunstwerk außer Streit. So ein Werk kann aber anschließend auch trivialisiert werden. Eine Abwertung, die den Gegenstand aus dem Bereich der Kunst herauszerrt; wie diese Laterne, der auch noch ein ästhetisch völlig bedeutungsloser Engel aufgesetzt wurde.
Zur Sache!
Ich muß zur Kenntnis nehmen, daß sich im regionalen Kulturgeschehen allerhand um die Kunst dreht, die dabei einfach zur Distinktionsmaschine reduziert wird. Da ist ein wiederkehrendes Grundmuster zu entdecken.
Wer bezüglich Sozialprestige in seinem herkömmlichen Leben die Decke erreicht hat und mit konventionellen Kompetenzen keinen weiteren gesellschaftlichen Boden gewinnen kann, wird eventuell in den Kulturbereich rüberwechseln, um da noch ein paar Meter zu machen.
Dagegen ist kein Einwand möglich. Also tun sich Grauzonen auf, von denen Felder getrennt werden. In der Oststeiermark, im Bezirk Weiz, ist es inzwischen unwidersprochene Praxis, daß ein halblustiges Bildungsbürgertum, kontrastiert von einigen Späthippies und anderen tatendurstigen Wesen, weite Bereiche des Kulturgeschehens schlicht okkupiert haben.

Vielleicht ist das ja eine gute Nachricht, die besagt: künstlerische Möglichkeiten wurden angenommen, werden ernstgenommen. Aber die kategorialen Unterschiede ignorieren? (Wenn als Kunst wäre, wäre nichts Kunst!)
Da kann ich mir ein brauchbares Bild machen, wenn ich einmal mehr jene Metapher anwende, die Boulevard und Nische in Zusammenhang bringt. Der Boulevard, von Natur aus weitgehend regelfrei, ist eben nicht erschütterbar. In der Nische habe ich jede Freiheit zu anderen Verfahrensweisen.
Eine Frage des Horizonts
Wie oft hab ich das gehört? „Ich verstehe ja nichts von Kunst, aber…“ Das ist ein merkwürdiger Trick, denn dieses „aber“ macht ohnehin klar, daß jemand zu Fragen der Kunst zwar eine Meinung hat, diese Meinung nun auch äußern wird, doch notfalls ohne sich auch bloß Grundlagen eines Verstehens erarbeitet zu haben.
Diese Pose ist der soziokulturelle Vorläufer jener Praktiken, sich mit Gefühltem, mit „alternativen Fakten“ eingerichtet zu haben. Dabei gilt Wissenserwerb als Lachnummer. Aber man könnte ja auch… zum Beispiel Boris Groys lesen. Seine Kunsttheorie und seine Auffassung von einer dynamischen Situation finde ich sehr anregend. Ein nützlicher Ausgangspunkt für Überlegungen zur Kunst.
Groys, polemisch verkürzt: Wenn wir etwas aufwerten (valorisieren), verfrachten wir es in die Archive der Kultur. So kann etwas, Gegenstand, Idee, oder auch ein Prozeß, beispielsweise zum Kunstwerk werden.
Das Kunstwerk könnte aber danach ebenso wieder in den Raum des Profanen zurückgeschoben, also trivialisiert werden. Derlei Abwertung stellt etwas aus Archiven dar Kultur an eine ganz andere Stelle. All das bleibt in Bewegung. Wir fragen also, um uns zu orientieren, nicht mehr „Was ist Kunst?“, sondern eher „Wann ist Kunst?“
