Wenn ich mir erklären möchte, weshalb es nicht gelingen will, Krieg von der Erde zu verbannen, komme ich schon sehr weit, falls ich mich bemühe, unsere vorherrschende Männerkultur, das Patriarchat, zu entschlüsseln, zu verstehen.

In dieser soziokulturellen Entwicklung seit dem Neolithikum haben Minoritäten sehr feine Methoden entwickelt, eine bewaffnete und trainierte Gefolgschaft zu rekrutieren, um ihre Anmaßungen, Begehrlichkeiten, auch räuberische Habgier gegenüber anderen Menschen durchzusetzen.
Jede Hungerrevolte aus der alten agrarischen Welt macht anschaulich, wie schwer es Menschen hatten, welche solche Klüngel ernährten und dabei einem Verbot Waffen zu tragen unterworfen waren. Mit Äxten, Sensen, Heugabeln und Dreschflegeln hatte man gegen bewaffnete und gepanzerte Trupps sehr schlechte Karten.
Begehrlichkeiten und das Bedürfnis, andere Menschen zwingen zu können, um ihnen zu entreißen, was man haben will… Wie uns Präsident Putin gerade vorhüpft, konnte zum Beispiel aus einem unbedeutenden kleinen Geheimdienstmitarbeiter in einem DDR Plattenbau einer der reichsten und mächtigsten Männer der Welt werden.
Das war kein Handstreich, sondern ein komplexer Prozeß. Was sich erst wohl als bandenartiges Netzwerk bewährt hat, wurde zu einem Staat im Staat (wir nennen sowas Mafia), um schließlich der Staat selbst zu werden. Eine Nation mit einem faschistischen Regime und Expansionswillen.
Das ist nicht generell die Manifestation menschlichen Denkens oder der Conditio humana. Do ist nicht „Die Menschheit“. Das sind menschliche Anomalien, von versierten Machtzirkeln und Netzwerken herbeigeführt, etabliert. So geht heute Patriarchat nach der Heirat mit dem Kapitalismus.
Daran ist nichts Rätselhaftes, auch nichts Metaphysisches. Mechaniker der Macht nutzen die Gunst der Stunde und die Stimmung einer Ära, um sowas zu realisieren. Es ist nicht mehr der Faschismus von Mussolini. Es ist auch nicht mehr, was im vorigen Jahrhundert Vergleiche von Hitler und Stalin klar gemacht haben und was in der „Habermas-Kontroverse“ („Historikerstreit“) an Wissen herausgearbeitet wurde.

Es ist ein zeitgemäßer Faschismus, der sich in Korrespondenz mit der Neuen Rechten Europas ab den 1980er Jahren weitgehend unbehelligt entwickeln konnte. Putins Lakai, der Ideologe Alexander Dugin, hat damals in Europa geübt und gelernt, sich als fleißiger Schüler erwiesen.
Was immer an diesem Faschismus festzustellen ist und beachtet werden sollte, finden wir in unserer Kultur gut dokumentiert. Ich nenne eine kleine Auswahl sehr anregender Schriften, denn die Berichte von der „Banalität des Bösen“ (eine Wortschöpfung der brillanten Hannah Arendt) sind leicht verfügbar.
„Der Fürst“ von Niccolo Machiavelli ist eine unmißverständliche Anleitung zur Zähmung und Ausbeutung einer ganzen Bevölkerung. Die „Psychologie der Massen“ von Gustave Le Bon war gewiß auch den Nazi eine taugliche Anregung. Wilhelm Reich schöpfte seine „Rede an den kleinen Mann“ aus therapeutischer Praxis. Elias Canetti bietet uns mit „Masse und Macht“ noch heute nützliche Denkanstöße.
Die Tagebücher von Victor Klemperer zeigen, wie Menschenverachtung im Alltag und im Detail funktioniert hat und wie dann viele Menschen der Verlockung zur Niedertracht nicht widerstehen könnten. Das, die Niedertracht, führte Hannah Arendt an einem sehr exponierten Täter vor Augen: „Eichmann in Jerusalem“.
Nicht zu vergessen die Tagebuchaufzeichnungen von Albert Speer, denen man entnehmen kann, wie arrogant junge Schnösel sein konnten, wenn ihnen danach war, sich quasi in das Rad der Geschichte zu werfen. Wer besser verstehen möchte, wie sich der Faschismus heute um Popularität bemüht, ist mit einem schlanken Bändchen von Umberto Eco gut beraten: „Der ewige Faschismus“. [Fortsetzung]
+) Mars (Eine Debatte über Krieg)
+) Rechtsruck