Wer auf Facebook eine offene Timeline hat, stellt Ansichten und Inhalte in einem öffentlichen Diskurs zur Verfügung. Man könnte eigene Beiträge auch bloß „Friends“ vorlegen, kann über verschiedene Timeline-Modi verfügen.
Ich widme hier einige Notizen einer Debatte, die in solchem Sinn offen geführt wurde, denn jede der Personen im Morpheus-Setting hat eine frei einsehbare FB-Timeline. Das bedeutet zweierlei. Diese Personen tragen erstens ihre Ansichten über ein Massenmedium hinaus, was daher anderen Bedingungen unterliegt als ein privates Gespräch. Sie müssen so zweitens mit Reaktionen rechnen, auch mit Einwänden.
Es muß in einer Demokratie gesichert sein, daß ich denken und sagen kann, was ich will. Freilich um den Preis, daß es Konsequenzen haben kann, wenn ich mich damit an die Öffentlichkeit wende. Gerade da haben sich wenigstens die letzten zehn, fünfzehn Jahr viele Menschen hervorgetan, denen es deutlich an Medienkompetenzen mangelt; während sie sich eines Massenmediums bedienen.
Daher etwa die häufigen Behauptungen, man dürfe in diesem Land ja „nichts mehr sagen“. Manche sind sogar dermaßen borniert und inkompetent, daß sie von Zensur schwafeln, bloß weil sie zu ihren Äußerungen Widerworte hören oder weil es bei manchen Medienformen Redaktionen gibt, durch die geklärt wird, was in diesem Medium publiziert wird und was nicht.
Zensur ist etwas völlig anderes. So zeigt sich auch häufig, daß eifrige Aufgeregte ziemlich schnell beleidigend werden, wenn man ihren Ansichten widerspricht. Sie haben nicht gelernt, den Unterschied zwischen Argumenten zur Sachen und Argumenten zur Person wahrzunehmen.
Nun aber konkret
Ich meine mit „Morpheus-Setting“ eine Runde von Personen rund um eine Liste angeblicher Kriegsgründe Rußlands. Diese Liste wurde von Ulrike Karolyi publiziert und von Christoph Wundrak nicht nur geliked und geteilt, er hält sie bis zum heutigen Tag in seiner Timeline zur Verfügung.
Wundrak ist ein Musiker, den ich seit gut 40 Jahren kenne und der mich mit seiner aktuellen Informationshaltung überrascht hat. Karolyi ist eine Expertin für Aura, NLS Bioresonanz und Zirbenessig. Beide fallen in ihren Timelines weder durch eine persönliche Expertise in internationaler Sicherheitspolitik auf, noch neigen sie zu profunden Mitteilungen. Es ist eher so, daß sie Beiträge anderer Leute per Reposting ausstreuen, diese allenfalls knapp kommentieren.
Was Karolyi als KriegsGRÜNDE auflistet, halte ich für KriegsVORWÄNDE der Art, wie sie russischer Kriegspropaganda entsprechen. Vor allem das Fazit, ich zitiere: „Einzig und alleine die USA und die Ukraine haben diesen Krieg begonnen!“
Diesen Satz sehe ich in der Qualität von „Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“. Wundrak sieht das freilich anders. Zitat: „Die Hauptquelle meines Wissens ist Daniele Ganser, weil er über einen starken für dieses Genre seltenen spirituellen Background verfügt.“
Zum Morpheus-Setting zähle ich ferner den Theatermacher Otto Köhlmeier, der Wundrak als Ensemblemitglied explizit hervorhebt. Köhlmeier ist mit seiner Truppe und dem Stück „NIE WIEDER! 80 Jahre Befreiung von Krieg und Faschismus“ auf Tour. Überdies hat sich Musiker Egon Kraussler als Sekundant von Wundrak hervorgetan.
Ich bin mit etlichen Autoren der Ansicht, Präsident Putin ist ein Faschist auf der Höhe der Zeit. Ich meine daher, was Karolyi behauptet, Wundrak weiterreicht und Kraussler unterstreicht, worüber Köhlmeier – selbst auf Nachfrage – beharrlich schweigt, bedarf der Debatte. Öffentlich! Denn die Karolyi-Wundrak-Kraussler-Position wurde im öffentlichen Diskurs eingenommen. (Und weshalb Morpheus? Das erläutere ich später.)
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