Puch: Zweirad-Abverkauf

Obwohl der Vorgang Jahrzehnte zurückliegt, erlebe ich gelegentlich immer noch, daß Menschen meiner Generation verärgert reagieren, wenn ich das Thema anschneide.

Wolfgang Wehap (links) und Walter Ulreich.

Es kommt mir vor, als wären damals die Puchwerke so sehr zu einem Teil regionaler Identität geworden, daß dieser Verlust der Fahrrad- und Moped- bzw. Motorradsektion wenigstens unter den 1940er- und 1950er Jahrgängen von vielen Menschen als fast schon persönliche Kränkung aufgefaßt wurde.

Spreche ich jene Puchianer an, die im Werk damals dabei waren, höre ich Äußerungen, welche mangels Dezenz eher nicht zitierbar sind. Da geht es um den Verkauf des gesamten Zweiradsektors der Grazer Puchwerke an den italienischen Konzern Piaggio, der mit einem Vertrag am 26. Februar 1987 besiegelt wurde.

Dem war ein zähes Ringen verschiedener Interessensgruppen vorangegangen. Es hatte sich sogar eine „Bürgerinitiative Puch“ formiert. Je nach Position und Blickwinkel sind über all das unterschiedliche Geschichten zu erzählen.

Mir liegt es naturgemäß nahe, von der Seite der Arbeiterschaft her darauf zu blicken, denn das sind die Puchianer, mit denen ich darüber zu reden hatte, etliche von ihnen heute zwischen 80 und 90 Jahre alt.

In den Fragen nach einem Warum werden vor allem zwei Namen vorzugsweise genannt. Der „Radl-Weiss“, den man geholt habe, um den Zweiradbereich „zu zerstören“. Und Hannes Androsch, vor diesen Ereignissen österreichischer Finanzminister (1970 bis 1981) und Vizekanzler (1976 bis 1981), dann aber Generaldirektor (1981 bis 1988) der seinerzeit staatlichen Creditanstalt.

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Franz Weiss war dieser Branche durch seiner Rolle bei der Pleite des Junior Fahrradwerkes geläufig. Im Jahr 1975 blieb dieser Betrieb mit Passiva von rund 560 Millionen Schilling dem Untergang geweiht. Daß man Weiss bei Puch-Zweirad in eine hohe Position geholt hatte, daß er nach dem Deal mit Piaggio dort als „Dirigente“ in die Genraldirektion wechselte, sorgt heute noch bei manchen Puchianern für schlechte Laune.

Industrie, Banken, Staatsinteressen, aber auch Manager mit Ambitionen, oder wie sich manche von der steririschen Presse ausrichten lassen mußten: Konjunkturritter, waren stets im Ringen miteinander, wenn es um die Ausrichtung etlicher heimischer Konzerne ging; die Gewerkschaften nicht zu vergessen.

All diese Verknüpfungen in Sachen Puch reichen weit herauf, bis mitten in den nächsten Abschnitt der Grazer Firmengeschichte. Am 12. Jänner 1998 war aus Ontario (Kanada) zu erfahren: „Der weltweit zu den bedeutendsten Autozulieferern gehörende kanadische Konzern Magna international Inc. hat sich, wie die Firma am 9. Januar mitteilte, mit der österreichischen Creditanstalt ag grundsätzlich dahingehend verständigt, deren 66,8prozentiges Mehrheitspaket an der Steyr-Daimler-Puch ag (“sdp“) und ihren 50prozentigen Anteil an der Steyr-Daimler-Puch Fahrzeugtechnik AG und Co. kg (“sft“) voll zu übernehmen. Die restlichen 50 Prozent an SFT liegen bei der SDP. Die geplante Übernahme bedarf noch der Zustimmung der Aufsichtsbehörden und Aufsichtsräte und weiterer Genehmigungen.“

1. Auflage: November 1987

Im Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie heißt es: „Noch um 1980 nahm das Unternehmen mit rund 17.000 Beschäftigten hinter der ‚VOEST-Alpine AG‘ und der ‚Vereinigten Edelstahlwerke AG‘ die dritte Stelle in der österreichischen Industrie ein. Nach Umstrukturierungen und Aufteilung auf mehrere Unternehmen hatte der Konzern 1991 noch 8.900 Beschäftigte. In den neunziger Jahren wurden durch den Mehrheitseigentümer ‚Creditanstalt-Bankverein AG‘ kontinuierlich Produktionssegmente abgegeben. 1998 erfolgte der Verkauf nahezu des gesamten CA-Aktienanteils an die ‚Magna Holding AG’…“ [Quelle]

Ich werde diesen Zweirad-Ausverkauf hier noch in einigen Details behandeln. Wer es aber gleich genauer wissen möchte, ist mit den Büchern von Walter Ulreich und Wolfgang Wehap gut bedient.


— [Scooter: Piaggio, Puch und Popkultur, ein Rückblick] —

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