Routen 259: Scooter I

Puch war als Zweiradproduzent im Nachkriegsösterreich zwar eine Weile Marktführer, aber nie Trendsetter.

Scooter und Popkultur sind eng verknüpft.

Diese Ansicht hat uns Fritz Ehn (†) hinterlassen. Ein Kenner des Genres, von dem einige der wesentlichen Publikationen in Sachen Puch stammen. Puch-Roller sind bei uns zwar ein vertrauter Begriff; mindestens noch bei den 1950er-Jahrgängen, die aufwuchsen, als die 125er und 150er aus Graz täglich auf den Straßen zu sehen waren. Aber es erwuchs daraus nie ein großes Thema. So auch bei den Mopeds.

Puch DS 50 (links): kein Scooter, Puch R 50: Scooter.

Im Bereich von 50 ccm und 60 ccm gab es bei Puch (vor den japanischen Importen) überhaupt nur einen richtigen Scooter, den R 50, der 1965 auf den Markt gekommen ist. Die „Daisy“ (DS 50) wurde zwar als „Leichtroller“ vermarktet, ist aber eigentlich kein Scooter. Schürze und Trittbretter verbergen ein wenig, daß der Motor freien liegt, daß es keinen freien Durchstieg gibt und der Knieschluß am Tank möglich gewesen wäre. Egal, die Roller-Geschichte ist natürlich voller Mischformen.

Überscooter: Vespa V13 von 1949.

Man sieht es gut an den Konkurrenzmodellen von KTM. Das 1958er Rollermoped Mecky wirkt sehr karg, hat zumindest eine Schürze. Der Durchstieg ist noch eher ein Drüberstieg. Mit der Ponny, die ab 1960 vom Band lief, war dagegen ein klassischer Scooter verfügbar. Auch hier beherrschte PUCH zwar den Markt, doch Ponny-Versionen sehe ich bis heute auf den Straßen, Puch R 50 nicht.

Das Werden des Typus
Motorroller finden sich freilich schon ab den 1920er Jahren in bemerkenswerter Auswahl. (Mit der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg werde ich mich noch extra befassen.) Italien spielt in der Nachkriegsgeschichte eine wichtige Rolle. Vor Piaggios Vespa und Innocentis Lambretta sind einige kleinere Ereignisse beachtenswert.


Avantgarde: Gianca Nibbio 100 (Foto: Georges Jansoone, CC BY-SA 4.0)

Volker Edler und Gernot Heigl verdanke ich den Hinweis, daß es einen exemplarisch aussehenden italienischen Scooter gibt, der zu kaufen war, ehe die Vespa von Piaggio Verbreitung fand. Die Firma Gianca baute in Monza ab 1946 ihren „Nibbio“ (Drachen). Das sollte der erste und einzige Scooter dieser Marke bleiben. Im Jahr 1946 war freilich auch die Vespa schon gediehen und es konnte eine Patentschrift eingereicht werden.

Gianfranco Scarpa (Officine Giesse) ist der Konstrukteur jenes Scooters, der Furetto (Frettchen) genannt wurde und aus 65 ccm rund zwei PS bezog. Renzo Rivolta sah dieses Fahrzeug 1947 im Mailänder Salon und machte draus einen größeren Deal. Folglich wurde der Roller als ISO Furetto vermarktet.

Italo-Scooter: ISO Furetto von 1946.

Der erste bekannte Vespa-Prototyp von 1943 wurde verworfen. Dieser MP5 mit dem Spitznamen „Paperino“ (Donald Duck) hatte von Boss Enrico Piaggio kein „Okay“ bekommen, naja, wohl eher kein „Va bene“.

Corradino D’Ascanio machte es dann besser. Er kam von der Luftfahrt her. Sein Prototyp MP6 entstand mit Hilfe des Zeichners Mario D’Este und löste Assoziationen mit einer Wespe aus, italienisch: Vespa. Die enorme Erfolgsgeschichte dieses Scooters ist evident.

Nobelhobel: Puch-Roller in Zweifarblackierung und mit reichlich Chrom.

In Graz hatten die Techniker, bevor sie einen Roller entwarfen, auch noch österreichische Produkte vor Augen. Zum Beispiel den Lohner L98. Der kam am 13.4.1952 auf den Markt und war damals für 4.360,- Schilling zu haben.

Die ersten 125er Puch Roller wurden im September 1952 ausgeliefert. Wie Sie sehen, war man in Graz nicht um eine Vorreiterrolle bemüht, sondern um eine solide Position auf dem Zweiradmarkt. Das hat dann auch geklappt.

— [Scooter: Piaggio, Puch und Popkultur, ein Rückblick] —

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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