Routen 249: Der älteste Porsche, vormals in Wien verwahrt

Eine freundliche Reisende zieht gerade auf einer interessanten Spur quer durch einen Teil Europas.

Einst in Wien, nun in Stuttgart.

Dabei kam eben auch Stuttgart vor, speziell der Porscheplatz 1. Das hat mir ein paar bemerkenswerte Fotos eingebracht, die ich verwenden darf. Ferdinand Porsche ist einerseits fix mit Österreichs Automobilgeschichte verknüpft. Andrerseits hat er die Technologiegeschichte der Kraftfahrzeuge generell geprägt.

Ich hab einen Rest von Ressentiments gegenüber diesem Jahrhundert-Konstrukteur nie ablegen können, weil er Adolf Hitler gegenüber völlig distanzlos war. Einige seiner fulminanten Rennwagen (Auto Union, Mercedes) waren bedeutende Propagandawerkzeuge des Nazi-Regimes. Porsche machte sich auch für die Armee nützlich.

Konzeptionell ein Viersitzer, also Doppelphaeton.

Das schmälert freilich nicht, was dieser wache Geist schon in jungen Jahren leisten konnte. Da ich selbst seit geraumer Zeit nicht viel herumkomme, bin ich so nun zu anschaulichen Bildern des Egger-Lohner C2 gekommen, dessen Reste erst 2013 gefunden wurden.

Porsche arbeitete eine Weile bei der Elektrofirma Béla Egger & Co., was 1899 zu einem Plakat führte, das einen Phaeton bewarb, also einen offenen Wagen. Der wurde von Jacob Lohner & Co. als elektrisches Automobil „System Egger Lohner“ angeboten.

Es wurde, ähnlich wie beim zweiten Marcus-Wagen, auch hier recht schnell gestritten, was die Datierung und Fragen der Authentitizität angeht. (Car and Driver titelte am 11. März 2014: „The Continental: Porsche’s Recently Uncovered, 116-Year-Old ‚First Car‘ Could be Fake“.)

Aus dem Club-Organ des Oesterreichischen Touring-Club, Heft 1 von 1899

Es heißt, die Firma Lohner habe dieses Fahrzeug 1906 dem Technischen Museum Wien überlassen. Dort wurde es adäquat erhalten und 2009 veräußert, um andere Raritäten ins Haus zu bringen. Wolfgang Porsche konnte das Fahrzeug erwerben.

Mutmaßungen besagen, dieser C2 sei vor allem ein Technologieträger gewesen, erst mit einem Benzinmotor ausgestattet, dann auf Elektroantrieb umgerüstet. Das mag daran gelegen haben, daß frühe Verbrennungsmotoren zu wenig Kraft hatten, um damit die Ebene geschmeidig zu verlassen.

Ich hab dieses Problem selbst durch den 1902er Albl Phönix von Sepp Schnalzer kennengelernt. Bergauf muß man stellenweise daneben hergehen, weil der zarte De Dion-Schnüffelmotor Passagiere auf Steigungen nicht schafft. Dagegen boten Elektromotoren wesentlich mehr Drehmoment für so manche steile Gasse in Wien.

Plakat von 1899 (Ausschnitt)

Der rund 130 Kilo schwere Oktagon-Elektromotor gab zwischen drei und fünf PS ab, ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von rund 25 km/h. Der C2 soll Reichweiten von 40 bis 80 Kilometer bewältigt haben. Seine Bauweise erinnert noch sehr an Kutschen. Er hat aber keinen Drehschemel mehr, sondern schon eine zukunftsweisende Achsschenkellenkung.

Die Konkurrenz macht gerne geltend, der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 von 1885 sei das erste taugliche Automobil gewesen. Ich sehe das anders. Der ersten pferdelose Wagen, von dem wir wissen, also einen funktionierender Kraftwagen, war der Fardier. Ein Dampftraktor auf drei Rädern, den Nicholas Cugnot 1769 vorgestellt hat.

Was Carl Benz gebaut hat, war ein stärkeres Dreirad. Wegen der Sturzgefahr mit Hochrädern auf schlechten Wegen waren Tricycles damals sehr verbreitet, bevor sich das Niederrad (Safety) durchsetzte. Benz nutzte das gleiche Grundkonzept in stabileres Ausführung, die er mit mit einem Motor und einer Sitzbank versah. Eine beachtliche Leistung, aber in der Bauweise nicht mit dem zweiten Marcus-Wagen von 1888/89 vergleichbar.

Neues Wiener Tagblatt, 24.11.1998 [Hier der Volltext!]

Dessen geringe Motorleistung (0,75 PS) und seine Drehschmel-Lenkung waren rund ein Jahrzehnt vor Porsches C2 durchaus bemerkenswert. Doch dieses Triebwerk von Marcus mußte rund 750 Kilo Fahrzeuggewicht bewegen, die gleichen 0,75 PS des Benz-Dreirades dagegen bloß 265 Kilo.

Der C2 ist übrigens mit 1.350 Kilo Fahrzeuggewicht notiert. Von allen brachte es freilich nur der Dreiradler von Benz zur Kleinserien-Produktion, daher sollten die anderen Fahrzeuge als Prototypen gelten.

Ab da änderte sich der Lauf der Welt. Zwischen 1900 und zirka 1914 entfaltete sich die Branche. Aber erst ab Anfang der 1960er Jahre konnten sich bei uns breitere Bevölkerungsteile ein Auto leisten.

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