Radbrunnen und Göpel (St. Anna/Aigen)

Wir Menschen bestehen zu einem nennenswerten Teil aus Wasser und könnten ohne laufende Wasseraufnahme nicht überleben.

Eine raffinierte voridustrielle Maschinen-Art.

Folglich spielen Quellen und Brunnen für uns eine existenzielle Rolle. Daher auch Wasserleitungen wie zum Beispiel die Aquädukte früherer Zeiten, deren bauliche Verwandtschaft mit Brücken offensichtlich ist. Also gehört das Thema Brunnen ebenfalls zu meiner Matrix der Gewässer. Für den Auftakt dieses Teilthemas habe ich ein sehr anschauliches oststeirisches Exemplar auf Lager. Es ist der denkmalgeschützte Radbrunnen von St. Anna am Aigen.

Die Speichen machen anschaulich: Hebel.

Er soll seit dem 17. Jahrhundert bestehen und reicht rund 60 Meter in die Tiefe. Das Ensemble wurde 1959 und zuletzt 2011 restauriert. Man sieht hier sehr gut einige grundlegende mechanische Details, die zu den Grundlagen der Maschinenbaukunst gehören

Das Getriebe zur Übersetzung von Kraft.

Das große Handrad ist ein Ansatz, um die menschliche Muskelkraft zu optimieren. Es ist, physikalisch gesehen, quasi ein Kranz von langen Hebeln, um gemäß dem Gesetz der Hebelkraft auf die Achse zu wirken. (Kraft mal Kraftarm ist gleich Last mal Lastarm, der Kraftarm wirkt auf den Lastarm, erzeugt ein bestimmtes Drehmoment.) Am Ende der Achse sitzt ein kleines Zahnrad, also ein kleiner Kranz von Hebeln.

Dieses kleine Zahnrad treibt ein anderes großes Zahnrad, dessen Achse die Seiltrommel dreht, mit der nun ein Kübel voll Wasser mühelos gehoben werden kann. Dazu muß aber auch das Gewicht des langen Seils bewältigt werden. Genau! Ein Getriebe mit passender Übersetzung, um selbst mäßige Muskelkraft so zu verstärken, daß Wasserholen klappt. Oder wie man früher sagte: ein Göpel.

Großer Hebel/kleiner Hebel

Dieser Dorfbrunnen stellt also eine sehr raffinierte Lösung für ein kniffliges Problem dar, nämlich in vormodernen Zeiten und ohne Motoren eine solche Tiefe für den Lasttransport senkrecht zu überwinden.

Ich hab übrigens einmal ausführlich mit einem Brunnenbauer gesprochen, der für sein privates Domizil einen Brunnen von rund 40 Metern Tiefe gegraben hat. Von Hand. Das erscheint mir als eine ziemlich gruselige Aufgabe, die einen an einer Stelle arbeiten läßt, über welcher die Öffnung mit dem freien Himmel, sehr, sehr klein wird. Ein Job, der von ganz anderen Zeitfenstern handelt, als wir sie heute gewohnt sind.

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Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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