Was es wiegt… #100: Layla

(Beiträge und Fragen zu einer nächsten Kulturpolitik)

Ich hab mein Radio nicht vor Jahren, sondern vor Jahrzehnten weggeschmissen. Deshalb erreicht mich populäres Zeug nicht einfach so. Aber die Kontroverse um den Song „Layla“ ging nun über Wochen durch alle Arten von Medien. Derlei lese ich dann doch mit Neugier.

Frauenflüsterer Ikke Hüftgold (© Superbass / CC-BY-SA-4.0 )

So wurde es unausweichlich, diesen Song zu suchen und mir anzuhören. Ich war erst verdutzt, wie unglaublich doof das Machwerk musikalisch und inhaltlich ist. Aber vielleicht liegt gerade darin das Perfide solcher Schenkelklopfer. Ihr Gift ist derart dümmlich verpackt, daß man es mit einer Handbewegung abtun möchte: „Total unerheblich!“ Ist es aber nicht.

Zu „DJ Robin & Schürze“ fällt mir gar nichts ein. Das sind bloß zappelige Exekutoren solcher Produkte. Wäre zu klären, ob wir die „Ballermann-Kultur“ für eine legitime Form der Spannungsabfuhr von emotional verunglückten Leuten ansehen. Muß aber dann Verachtung reingepackt werden, um das zu bewirken? Keinesfalls! Aber das ist Business.

Menschen feiern
Es ist unverzichtbar! Mit all den möglichen Rauscherfahrungen, Grenzüberschreitungen, der Sehnsucht nach anderen Zuständen. Das halte ich für einen fixen Bestandteil der Conditio humana. Kein Einwand! Doch Feste der Menschenverachtung?

Ich will jetzt niemandem erklären müssen, welche Auffassung von Sexualität und der Nutzbarkeit von Frauen hier promotet wird. Wer das nicht erkennen kann: Verschwinde aus meinen Augen und werde erwachsen!

Bloß so viel: Ein Kerl, dem die Käuflichkeit von Frauenfleisch nicht reicht, der sich dann auch noch die „Puffmutter“ jung und geil träumt, ist so infantil und orientierungslos drauf, der sollte vorweg gleich einmal seinen Führerschein abgeben, bis geklärt ist, worin er noch die Sicherheit anderer gefährden könnte.

Macher und Machwerk
Ikke Hüftgold alias Matthias Distel, der Executive-Producer von „Layla“, ist weit interessanter als die beiden Zappel-Buben, von denen der Song dargeboten wird. Sein Künstlername und einige seiner Reality TV-Aktivitäten bieten Aufschluß, daß er geneigt ist, Selbsterniedrigung als Geschäftsmodell einzusetzen, also sich selbst runterzumachen, um anzukommen.

Weshalb? Er hampelt uns einen derart erbärmlichen Kerl vor, daß selbst der letzte Depp im volltrunkenen Zustand bei dieser Kunstfigur noch andocken und sich identifizieren kann. Man mag einem Besoffenen die Geldbörse klauen. Aber weit trickreicher ist es, ihn zu bewegen, daß er für den Verzicht auf einen letzten Rest von Selbstachtung auch noch bezahlt.

Da überrascht es wenig, daß Ikke Distel bei seinem Geschäftsmodell nicht bloß sich selbst verausgabt, sondern auch die Erniedrigung anderer Menschen in Kauf nimmt, um Profit zu generieren. Doch wozu diese Grobheiten?

Circus Maximus
Solche Grobheiten stehen in der Tradition der Großen Spiele, wie sie in der Antike das Volk belustigt haben. Im Circus Maximus wurde zur Unterhaltung verletzt und getötet. Das darf man heute nicht mehr mit Schwert, Axt oder Dreizack erledigen, auch nicht, indem man wilde Tiere auf Menschen hetzt.

Aber unterhaltsame Erniedrigung funktioniert ja ebenso, dauert bloß etwas länger, bis wieder wer über die Klinge springt. Siehe dazu etwa „Das große Promi-Büßen“ von Pro 7. Eine veritable Vorfeld-Anordnung, bei der einigen Menschen von seriösem psychologischem Personal garantiert dringend abgeraten würde, sich weiter in solchen Formaten zu exponieren.

Ich mache mir keine Illusionen über den emotionalen Zustand eines Mannes, der einen seiner größten kommerziellen Erfolge mit dem Refrain „Dicke Titten, Kartoffelsalat“ ausstaffiert hat. Youtube-Check! Das Lied beginnt so, ich zitiere: „Ikke Hüftgold wünscht allen Gästen dicke Titten, Kartoffelsalat. Ole, ole, ole, dicke Titten, Kartoffelsalat.“

Wir Primaten
Okay. Wir sind ausnahmslos Primaten und manche von uns verzichten eben darauf, ihr Wesen und ihre Art zu entwickeln, zu verfeinern. Das ist nicht strafbar, also auch nicht verboten. Außerdem halte ich nichts von Sendeverboten, Denkverboten, von derlei restriktiven Maßnahmen. Wenn jemand sehr viel Geld macht, weil er Menschen bespaßt und sie dabei ermutigt, emotional auf allen Vieren herumzukriechen, braucht das andere Antworten.

Ich muß aus ideologischen und ethischen Gründen akzeptieren, daß man diese Art von Gefühls-Neandertalern nicht einfach zusammenstauchen kann, damit sie verstummen. Es hat keinen Sinn, sie deklassieren zu wollen, denn das hieße bloß, ihren Modus zu übernehmen.

Dennoch macht der Unterschied den Unterschied und Grenzziehungen sind unverzichtbar. Es läßt sich bestimmt auf viele Arten in jedem Alltag verdeutlichen, daß eine derart schadhafte emotionale Ausstattung, die es jemandem erlaubt, sich mit solchen Stoffen zu vergnügen, nicht willkommen ist, nicht akzeptiert wird, daß jemand, der sich das herausnimmt, in einer Gemeinschaft nichts zu melden hat.

Meine Gründe
Menschenverachtung bleibt Menschenverachtung, auch wenn sie derart doof formuliert und verbreitet wird. Menschenverachtung verletzt. Sie vergiftet das Gemeinwesen, egal, wie groß oder klein die Gemeinschaft ist.

Erstaunlich genug, daß auch Frauen solche Figuren toll finden. Es muß ein spezielles Vergnügen sein, wenn man in der Verfassung gemeinsam ins Bett findet. Das beschäftigt mich weiter nicht. Es ist auch unangebracht, die Personen anzugreifen, die Sache muß angegriffen werden. Ächtung statt Verbot.

Wenn emotional derart bescheidene Primaten sich an diesem Ramsch ergötzen möchten, muß ihnen das freistehen, darüber will ich nicht verfügen. Keine Zensur. Keine Cancel Culture. Einfach klare Antworten. Deutlich und weitreichend.

— [The Long Distance Howl] —

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
Dieser Beitrag wurde unter Kulturpolitik abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.