Kulturpolitik: An der Basis X

Noch ein paar Takte zum Thema Kunst und Marktfähigkeit. Manch kunstsinnigen Leuten ist es bisher noch nicht aufgefallen, manch Kunstschaffende ignorieren es lieber…

Im Alltag aufgetaucht: eine Arbeit von Paul Busk.

Österreichs Markt ist zu klein, auf daß wenigstens solide zehn Prozent der künstlerisch Aktiven des Landes in einem privatwirtschaftlichen Sinn ihr Brot verdienen könnten.

Ergo ist es für über 90 Prozent unmöglich, aus rein künstlerischer Arbeit ein angemessenes Jahreseinkommen zu erwirtschaften. Daraus folgt wenigstens zweierlei. Erstens handelt ein Leben in der Kunst von einer Vielzahl ganz verschiedener Lebenskonzepte und Formen des Broterwerbs.

Zweitens muß die Gesellschaft in ihr geistiges Leben investieren, weil das sonst zugunsten simplerer Varianten weitgehend entfällt. Diese Investitionen werden vom Staat verwaltet. Das bedeutet, der Staat fördert Leute wie mich nicht. Außer ich bekomme einen Preis, der an keine bestimmte und vertraglich vereinbarte Gegenleistung gebunden ist.

Der Staat schafft einen speziellen Markt, auf dem ich etwas verdienen kann, falls wir einen Deal zustande bringen. Pure Förderung im Sinn von Mäzenatentum, das mich unterstützt, ohne etwas zu fordern, gibt es manchmal auch, aber in unerheblichem Ausmaß. Gewöhnlich da, wo jemandes Werk mit dem möglichen Imagegewinn innerhalb einer bürgerlichen Repräsentationskultur zusammenhängt.

Meistens sorgt der Staat für Kofinanzierungen in gemeinsamen Vorhaben, wo einer wie ich seine Arbeitszeit und sein Know how einbringt, der Staat vor allem Geld. Es gibt dann noch allerhand Hybridformen, auf die ich hier momentan nicht näher eingehe.

Reicht es noch für eine Suppe?

Kann ich mein Brot in mehreren verschiedenen Genres verdienen, stärkt das meine Unabhängigkeit. Wäre ich selbst oder mein Projekt längerfristig ausschließlich durch staatliche Finanzierung lebensfähig, muß ich auf attraktive Attribute wir „frei“ oder „autonom“ verzichten, denn das wären Varianten staatsnaher Positionen. (Das wird in meinem Milieu ganz gerne verschleiert.)

In diesem Zusammenhang ist eine abwertende Nutzung des Begriffes „Staatskünstler“ Ausdruck eine praktischen Dummheit jemandes, der den Betrieb und kulturpolitische Grundlagen nicht kennt, wahlweise ignoriert.

So könnte man auch abwertend von einem „Staatslehrer“, einer „Staatskrankenschwester“ oder ähnlichen Varianten staatlich kofinanzierter Professionen sprechen. Sowas verrät den Untertan, der noch in Kategorien der Feudalzeit denkt, als ein huldvoller Fürst dem Dienstboten ein Tun ermöglichte oder es unterband.

Wir wissen außerdem längst, daß die Behauptung „Der Markt regelt alles“ Mumpitz ist, falls man eine zeitgemäße Auffassung von Gemeinwohl vertritt. In Zeiten eines radikalen Kapitalismus, da Geld Geld verdient und Working Poor zunehmen, regelt der Markt so allerhand, doch nicht im Sinn einer hochgehaltenen Menschenwürde.

+) Vorlauf: Kulturpolitik: An der Basis IX
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Beiträge, laufende Debatte)

Postskriptum
Zu Paul Busk siehe: „Episode XXI: Kompakt. Komplex.“ (Ein Moment in der Stadt) im Zeit.Raum! Ich halte das Fahrzeug, Teil einer Firmenflotte, nicht für ein Kunstwerk, sondern für ein kunstnahes Objekt. Das zähle ich zum Bereich des Angewandten. Es hat gegenüber der Selbstbezogenheit und Autonomie der Kunst noch andere Aufgaben/Funktionen. (Bezüglich Sponsoring müssen wir noch über die Kategorie „Geld der Republik“ sprechen.)

Über der krusche

jahrgang 56, freischaffend
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