Mars: Die flinke Kompott-SA

Wie kann jemand reagieren, wenn er sich von Anforderungen des täglichen Lebens überfordert fühlt?

Auch Gewalt durch Sprache verletzt.

Was bringt Verschwörungs-Ministranten aller Lager und Tyrannen-Kollaborateure dazu, ausgerechnet über Österreich von Diktatur zu sprechen? (Sie sie sagen es nicht bloß, sie brüllen es gelegentlich.)

Weshalb greifen eben diese Leute an, was traditionell ein gutes Mittel gegen Diktaturen ist? Ich meine eine taugliche Wissenschaft. Ich meine eine kritische Presse, die Vierte Gewalt in unserem Konzept der Gewaltenteilung. Nun schreien die Köche eines merkwürdigen Meingunsgkompotts: „Lügenpresse!“ „Mainstream-Medien!“ „Korrupte Experten!“

Wie begründen solche Leute oder wie belegen sie ihr Meinungs-Kompott? Ich finde in diesen Lagern keine kritischen Diskurse, dank derer sich abklären ließe, wie stichhaltig solche Ansichten sind. Dogmen genügen völlig, ein „So ist es“. Diese Konsorten diskutieren nicht, sondern tun einfach, hauen zu. Es boomt der Primat der Tat. (Nebenbei bemerkt: ein Grundelement des Faschismus.)

Im Web gibt es inzwischen reichlich Video-Clips, die mir zeigen, wie angriffslustig und abwertend diverse Kompott-Bürger vorgehen. Ich sehe, wie sie Leute aus Politik und Medienwelt beschimpfen, bedrohen, auch körperlich attackieren. Ein komplexes geistiges Leben ist ihnen offenbar verhaßt.

Was sich uns zeigt, ist eine Art der neuen SA. Eine flinke Kompott-SA. Wofür dieses Kürzel historisch steht? Sturmabteilung. Das war eine paramilitärische Schlägertruppe der NSDAP. Einerseits der Saalschutz für Parteikundgebungen, andererseits eine mobile Faust der Nazi, um die eigenen Leute zu terrorisieren.

Die faschistische Sturmabteilung erwies sich als organisierte Konzentration von sich selbst legitimierender Gewalttätigkeit. Was ich bisher von der neuen Kompott-SA höre und lese, weist klar in diese Richtung. (Gewalt durch Sprache ist da Standard.)

Andersdenkende zu beleidigen, niederzubrüllen, körperlich anzugreifen, das soll also überzeugender Ausdruck einer zukunftsorientierten Position gegen eine Diktatur sein? Vielleicht nach dem Motto „Lernen von Weißrussland“?

Wer jetzt in Österreich mit dem Diktatur-Gebrüll auf den Lippen herumrennt, ist womöglich voller ungelöster Autoritätskonflikte und hat offenkundig weder von Geschichte, noch von der gegenwärtigen Welt eine nennenswerte Ahnung. Diktatur, das ist freilich etwas anderes, als die Situation, mit der wir uns in Österreich herumschlagen müssen.

Wenn hier jemand unter mangelnder politischer Mitsprache leidet oder das bestehende Regime für diktatorisch hält, könnte es daran liegen, daß jemand zum Kompott-Bürger wurde, indem er nicht von seinem Sofa hochkam, um an politischen aktiv mitzuwirken. Nun aber rasch und laut und mit den Fäusten…

Hatten Menschen hierzulande je zuvor so viel Gelegenheit zu
a) Wissenserwerb,
b) Kompetenzgewinn und folglich
c) Partizipation am politischen Leben?
Wohl kaum!

Da sitzt sie nun, diese neue Bourgeoisie, fläzt sich auf Polstern und an gut gedeckten Tischen, kriegt das Maul nicht auf, außer um jemanden anzupöbeln. Oder schweigt zum Lauf der Dinge und genießt, was noch zu erhaschen ist. Da draußen ist viel Gebrüll und viel Schweigen, das sich erstaunlich gut miteinander verträgt.

+) Mars (Eine Debatte über Krieg)