Was heute in den Social Media boomt, um die „Stimme des Volkes“ zu verbreiten, war vor einigen Jahren noch das Boulevard-Segment der Leserbriefspalten.

Redaktionell betreut, also von Gatekeepers verwaltet, ein kontrollierter Zugang zum öffentlichen Diskurs. Es ist bis heute ein Tummelplatz der Erregten, die sich als Teil jener „Stimme des Volkes“ verstehen, manchmal sogar geltend machen: „Wir sind das Volk!“ Diese Behauptung ist freilich purer Mumpitz, weil es „das Volk“ zwar als Demos (Staatsvolk) und Ethnos (kulturelle Formation) gibt, aber nicht als einigermaßen homogene Interessensgruppe, die sich entsprechend homogen und kohärent äußert.
Bildungsbürger würden eventuell von „Vox populi“ sprechen und wer immer sich da hervortut, meint, eine Menge Menschen hinter sich zu haben. Wie erwähnt: der Boulevard. Als mediale Situation zeitgeschichtlich etwa so gestaffelt: Bassena, Stammtisch, Leserpost, Newsgroups im Internet, Social Media.
Frau Maria S. aus der Oststeiermark hat in der Kleinen Zeitung eben ein berührendes Exempel vorgelegt, wie sie sich zwar von laufender Berichterstattung gruseln läßt, aber dann von der Kunst her lieber nicht behelligt werden möchte. Doch ich behaupte, das Weltgeschehen ist hier bloß ein Vorwand, um ein Kunstfestival anzufeinden.

Allein der Auftakt „Kunst gut und schön“ macht deutlich, daß sie Kunstschaffenden eine Teilhabe am öffentlichen Diskurs lieber nicht einräumen möchte. Ihre diffuse Vorstellung offenbart sich dann auch in einer ziemlich bewußtlosen Verwendung des Satzteils „Freiheit der Kunst“. Da weiß sie nicht, wovon sie schreibt, aber sie bringt das Thema in Stellung; gegen den steirischen herbst.
Wie bemerkenswert, daß sie künstlerische Arbeit als „verstörend“ und „beängstigend“ einstuft, während es doch das verstörende Leben selbst ist, worauf mit Mitteln der Kunst reagiert wird. So tönt der Geist, in dem öffentliche Debatten reguliert werden möchten, ohne daß jemand erkennbar gerüstet ist, die eigene Position auch mit Argumenten zu unterlegen.
Das ist dann, was wir gleichermaßen in den Social Media finden, wo Erregte ihre Ömpörung vortragen, indem sie beschimpfen, was ihnen mißfällt, das aber oft nicht einmal mit eigenen Worten schaffen, sondern indem sie Texte anderer Leute reposten.
Und die Kunst? Die ist ein Genre, in dem Aufgaben und Themen mit Mitteln der Kunst bearbeitet werden. Eine ebenso legitime Verfahrensweise wie mit Mitteln der Wissenschaft oder des Journalismus vorzugehen. Bliebe freilich noch zu klären, was eine journalistische Kraft bewegt, so eine substanzlose Anfechtung der Kunstpraxis, also das Nachbarfeld des Journalismus, zu publizieren. Quotenpflege?