Kulturpolitik: Keine gute Krise vergeuden!

Die Stadt Gleisdorf erlebt eine kulturpolitische Krise von sensationellem Ausmaß. Wer das allerdings nicht kommen sah, sollte eventuell erst einmal die eigene Kompetenzlage überprüfen.

Februar 2014: Karl Bauer (links) und der damalige Kulturreferent Alois Reisenhofer bei einer Kulturpakt-Besprechung.

Ich folge da lieber einer Empfehlung, die Autor Michael Crichton in einen seiner Romane gepackt hat: „Lösen sie das Problem, nicht die Schuldfrage!“ Das beginnt mit der Feststellung, eine Krise ist nicht das Problem, sondern Ausdruck eines Umbruchs. Ab da sind wir zu reagieren gefordert. Dann zeigt sich, ob es Richtung Katastrophe oder Katharsis geht.

Es ist gewissermaßen eine Drei-Ka-Situation. Nun besagt ein öffentliches Dokument der Stadt Gleisdorf: „In Zeiten des Sparens auf allen Ebenen – und besonders im Kulturbereich – ist es nun notwendig, sich mit unserer Zukunft zu beschäftigen. Wie beim letzten Kulturpakt-Stammtisch im Kunstareal Rosenbauer besprochen, wäre eine Vereinsgründung eine Option, die zusätzliche Vorteile brächte…“

Darauf antwortete etwa Elifi S.: „Ich stimme für NEIN zur Vereinsgründung, weil es die Aufgabe der Kommune(n) ist, Kunst und Kultur generell und in den Region best möglich zu unterstützen, heißt dafür Geld (unser Steuergeld) und Ressourcen zur Verfügung zu stellen.“

Das ist ein Klassiker aus dem soziokulturellen Kuscheleck und es wäre vor allem einmal zu fragen: Wo steht das geschrieben? Wann wurde es von wem vereinbart? Ich folgere aus den letzten Jahrzehnten meiner Praxis: das ist kulturpolitisches Karaoke.

Der Absatz (1) des §1 im Gesetz vom 24. Mai 2005 über die Förderung der Kultur und der Kunst in der Steiermark (Steiermärkisches Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005) lautet: „Das Land Steiermark als Träger von Privatrechten verpflichtet sich, in der Steiermark oder in besonderer Beziehung zur Steiermark ausgeübte kulturelle Tätigkeiten zu fördern.“ [Die Quelle als PDF-Datei] Das ist ein explizites Förderangebot, welches an Bedingungen gebunden wurde.

Der Absatz (7) des §3 besagt unmißverständlich: „Auf die Gewährung von Förderungen nach diesem Förderung besteht kein Rechtsanspruch.“ Elfi S. weiter: „Mit Gründung eines Vereins wird diese wichtige Aufgabe des Staates (der Kommunen) wieder an Privatpersonen (uns) übertragen/abgewälzt.“ Sie ignoriert dabei einige sozial- und kulturgeschichtliche Grundlagen.

Ich hatte als ein Exponent der „Sektor 3-Kulturpolitik“ mit der Kommune eine strategische Partnerschaft angestrebt.

Seit der Antike bedeutet Politik vor allem einmal das, was sich aus der Kooperation von a) Staatskunst und b) Gemeinwesen ergibt. Das meint ein Wechselspiel zwischen Politikos und Polis, zwischen dem „Staatsmann“ (heute: Mandatsträgerinnen und -träger) und der Zivilgesellschaft.

Daraus folgt unter anderem zwingend, daß wir laufend neu verhandeln müssen, wofür verfügbare Ressourcen der Kommune verwendet werden. Dabei haben wir es a) mit der Politik und b) mit der Verwaltung zu tun, was zwei grundverschiedene Kategorien sind.

Mir fehlt bei der Kulturpakt-Community derzeit eine kulturpolitische Strategie, um die man sich seit Corona hätte bemühen können, denn da war schon absehbar, daß diese Krise kommt. Dazu mußte man nicht hellseherisch begabt sein. Das hat uns die Weltwirtschaftskrise von 2008/2009 gelehrt.

Damals haben wir, das Kulturvölkchen, spätestens ab 2010 bis 2014 eine ganze Reihe von Lektionen erhalten, wie Politik und Verwaltung der Steiermark auf solche Krisen reagieren. (Nach Corona hatten wir a) die „Drexler-Konferenzen“ und b) den Wahlsieg der FPÖ bezüglich Landeshauptmannschaft.)

Monika Lafer bei einem Archipel-Meeting: Wir haben einen neuen Ansatz gesucht!

Wäre noch zu fragen, ob jemand in der Lage ist, zwischen „bottom up“ und „top down“ zu unterscheiden. Nun ist genau zwischen 2014 und 2025 aus dem Kulturpakt, der bottom up eingeführt wurde, ein Top down-Projekt gemacht worden, indem etwa Elfi S. Forderungen an den Staat stellt. Das drückt einen Retro-Kur aus, der ins vorige Jahrhundert weist.

Eine Notiz vom Juli 2014
In den Archiven von Kunst Ost ist das erste Kulturpakt-Memo mit dem 25.11.2011 datiert. Darin heißt es unter anderem: „Wir suchen also neue Kooperationsformen zwischen a) Politik & Verwaltung, b) Wirtschaft und c) privaten Formationen/Vereinen.“ Da steht weiters: „Wir bemühen uns, inhaltlich die drei Bereiche Kunst, Wirtschaft und Wissenschaft zu verknüpfen, in Wechselwirkung zu bringen.“ [Quelle]

Was das bedeutet? Wir gingen davon aus, daß wir zur Selbstorganisation fähig seien und so Vorhaben entwickeln würden, wo dann die Kommune andockt, um das zu begleiten und zu verstärken. Der Kulturpakt ist genau das nun nicht geworden. Und? Wir haben das im „Archipel“ realisiert: [Link] [Fortsetzung folgt!]

+) Vorlauf
+) Ein Feuilleton (Kulturpolitische Kolumne)

Postskriptum
Ein Kunst Ost-Memo vom 04.03.2013 gibt Ihnen Aufschluß, wie wir den Kulturpakt einst gedacht und erprobt haben. Darin heißt es: „Der „Kulturpakt Gleisdorf“ wurde 2011 konzipiert, 2012 aufgebaut und ausdifferenziert, um 2013 über sein „going public“ in die Öffentlichkeit zu wirken.“ [Das Memo als PDF] Der aus meiner Sicht maßgebliche Slogan jener Phase: „Vom Subventionsempfänger zum Kooperationspartner“. [Quelle]