Wenn wir das, was der Fall ist, nicht korrekt zu bezeichnen vermögen, haben wir keine tauglichen Begriffe. Wenn wir keine tauglichen Begriffe haben, wissen wir nicht, wovon wir reden.

Wenn wir nicht wissen, wovon wir reden, werden sich Slogans und Privatmythologien, auch allerhand Obskurantismus, ungehindert breit machen können. Das ergäbe einen vorzüglichen Nährboden für verdeckte Intentionen. Verdeckte Intentionen korrumpieren alle Arten von Beziehungen und zerstören sie früher oder später.
Die Befassung mit dem Zusammenhang zwischen einem Begriff und dem, was er bezeichnet, nennt man Semantik. Ich bin Teil einer vorherrschenden Männerkultur, die gewaltige semantische Probleme generiert hat. Das sind keine Mißverständnisse, sondern Strategien. Es ist nicht einmal besonders geheimnisvoll.
Unzählige Debatten und sprachkritische Arbeiten, soziale, psychologische und philosophische Erkundungen, außerdem ein reiches Oeuvre künstlerischer Werke, nützen uns, diese Strategien, Botschaften und Propagandawerke zu entschlüsseln.
Wo darauf verzichtet wird, wo so ein Dechiffrieren eventuell aktiv blockiert wird, kann der Obskurantismus blühen, mit dem zum Beispiel Gewaltbereitschaft kostümiert wird. Wo das geschieht, fehlt oft nicht viel, um so eine Gemengelage in Gewalttätigkeit kippen zu lassen.
Diese problematischen Prozesse beherrschen nicht nur Männer, da wirken auch allerhand Frauen mit. Aber unterm Strich sind die Opfer in der Mehrheit weiblich. Am 20. Juli 2025 fragte Markus Drechsler in „Tödliche Nähe: Österreichs Problem mit Intimpartnergewalt und Femizid“ nach einer markanten Auffälligkeit.
Zitat: „In Österreich werden mehr Frauen als Männer ermordet – meistens von aktuellen oder früheren Partnern. Warum eskaliert Beziehungsgewalt hier so häufig tödlich?“ Das bedeutet: „Fast jede Woche wird in Österreich eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. In den Jahren 2019 bis 2022 registrierte das Bundeskriminalamt insgesamt 145 ermordete Frauen – im Schnitt drei Opfer pro Monat. Damit liegt Österreich EU-weit an der traurigen Spitze…“ [Quelle]
Die Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger betonte in ihrer Einleitung zu „Sensible Berichterstattung zum Thema Gewalt an Frauen“ die Notwendigkeit zur Prävention: „Gewalt an Frauen in all ihrer Vielschichtigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Grundlegendes Ziel aller Präventionsmaßnahmen ist es, Alternativen zu gewalttätigem Handeln beziehungsweise Wege aus der Gewalt aufzuzeigen. Langfristig kann nur eine bewusste Auseinandersetzung mit traditionellen Männer- und Frauenbildern sowie der gesellschaftlichen Ungleichheit der Geschlechter helfen, diese zu überwinden und somit Gewalt zu reduzieren.“
Ich sehe da einen wesentlichen Ansatzpunkt: Alternativen zu gewalttätigem Handeln in einer Kultur, innerhalb derer gewalttätiges Handeln in vielen Variationen zu akzeptierten, oft auch bewunderten Strategien gehört.

Es lohnt sich danach zu fragen, wo wir als Spezies einst falsch abgebogen sind. Philosophin Elisabeth List gab dazu in „Die Präsenz de Anderen“ (Theorie und Geschlechterpolitik) einen anregenden Hinweis: „Nachdem patrizentristisch organisierte Gruppen die Oberhand gewonnen hatten, trat an die Stelle der matrizentrischen Mythen und Kulte der Mythos vom männlichen Kriegsheros…“
Dadurch entstand, so List, eine neue symbolische Ordnung, eine neue soziale Organisation. Das finden wir heute in einem Ideal, welches mit viel Ideologie und Propaganda, auch mit Nachdruck unterlegt werden muß, um zu funktionieren. Das findet grundlegend schon im Privatleben statt, in der Erziehung: „Der soldatische Mann“.
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