Wachsender Diskussionsbedarf

Ich sehe da draußen erhebliche Streitbarkeit und stellenweise Angriffslust. Geht das über Ömpörung hinaus? Wissen wir Differenzen zu nutzen, um Positionen zu klären?

Ömpörung oder Debatte?

Die Headline ist mehr als merkwürdig: „Leykam-Verlag wirft Autorin Klemm wegen Aussagen zum Wort ‚Frau‘ aus Buch“. Gertraud Klemm durfte sich von Kollegin Mareike Fallwickl ausrichten lassen: „Wir teilen die im Artikel vertretene Position nicht.“ (Quelle)

Auf meinem Kontinent wäre genau das ein guter Grund, so einen Text zu begrüßen. Ich halte Antwortvielfalt in einer pluralistischen Gesellschaft für unverzichtbar. Das bedeutet auch, Dissens könnte als anregend betrachtet werden. Also nicht in diesem Buch „Das Pen!smuseum“. Es wurde von Fallwickl und Eva Reisinger herausgegeben.

Nun hätte ich erwartet, daß etwa jemand von Leykam aus der Deckung kommt und die gute Gelegenheit nutzt, um eine spannende Debatte zu entfalten, zu betreuen. Läge in diesem Vorfall nicht ein guter Anlaß für einen öffentlichen Diskurs über den Unterschied zwischen dogmatischen und flexiblen Haltungen? Sollten wir im Kulturvölkchen nicht das Thema Cancel Culture bearbeiten?

Es gäbe auch ohne jenen merkwürdigen Vorfall, mit dem Klemm brüskiert wurde, gute Gründe, in unserer Branche zu debattieren, wie mit Kontroversen und unvereinbaren Ansichten umzugehen wäre, ohne das Richtung Schlachtfeld zu entwickeln. Also Diskurs statt Tribunal, eventuell in Beachtung der anregenden Frage von Psychiaterin Heidi Kastner: „Wollen sie diskutieren oder recht haben?“

Zwei Beispiele…
…aus einem unmittelbaren Umfeld. Ich habe es für Mumpitz gehalten, rund um den Bachmann-Preis für die Steirerin Natascha Gangl von einer „steirischen Literaturszene“ zu sprechen und zu schreiben. Mir hätte es gefallen, das differenzierter zu betrachten; als einen steirischen Literaturbetrieb mit allerhand Eigenheiten und einigen Defiziten, mit wachsenden Problemen.

Immerhin hatte es eben erst diese kulturpolitische Kampagne „Kulturland retten“ gegeben, um der FPÖ das Landeshauptmannes und einigen christlichsozialen Kräften etwas auszurichten. Was genau? Daß die Steiermark kulturell vom Untergang bedroht sei? Das ist natürlich Blödsinn; ein Ausdruck mangelnder intellektueller Selbstachtung bei schwächelndem Selbstbewußtsein der primären Kräfte.

Da bin ich freilich mit meiner Kolumne „Hurra, wir sind Bachmann!“ nicht vom Fleck gekommen. Kein öffentlicher Diskurs. Und dann die Debatte mit Musiker Christoph Wundrak, der sich zwar in aktuellen sicherheitspolitischen Fragen als spirituell reif und gefestigt ausgibt, damit aber nicht fähig war, ein faschistisches Pamphlet zu identifizieren. Also hat er das rüde Papier mit einem Like und persönlichem Reposting gewürdigt.

In meiner darauf bezogenen Kolumne „Mars“ (Eine Debatte über Krieg) zieht es sich ein wenig hin. Aus „Wundrakien“ fehlen mir noch weitere Inputs, die anschaulich machen, worin genau die möglichen Differenzen zu jemandem aus „Kruschestan“ bestehen.

Immerhin finde ich darin einige Anlässe, Aspekte unserer vorherrschenden Männerkultur abzuklopfen. Da gibt es viel zu tun. Unter anderem auch in der Frage, was einen alten Mann von einem Senior unterscheiden mag. Das sehe ich mir noch genauer an.

+) Hurra, wir sind Bachmann!
+) Mars (Eine Debatte über Krieg)
+) Alter Mann (Erste Notizen)