Wenigstens die letzten fünf Jahre war völlig unübersehbar, daß es in meinem Milieu, beim Kunstvölkchen, kaum bis keine Sachkenntnis zum Thema Faschismus gibt. Ich meine, deshalb sind auch die auffindbaren Gegenpositionen so schwach; oder gar nicht vorhanden. Klar! Irgendwer wird sich schon darum kümmern.

Da genügt es nun nicht, ein paar Slogans rauszuhauen oder eine Art Theater-Recycling zu betreiben und Collagen verstaubter Texte aus dem vorigen Jahrhunderter auf Bühnen zu bringen. Wir, die wir uns im Lager der Menschenwürde wähnen, müssen die inhaltliche Herausforderung der Neuen Rechten und des Faschismus annehmen. Oder die fahren uns bald noch radikaler um die Ohren.
Was das bedeutet? Na, vielleicht erst einmal ein wenig Wissenserwerb anstreben und sich zu diesem Thema sachkundig zu machen. Inhalte und Strategien der Faschisten, Sprachregelungen und Propagandamethoden… Kennen, erkennen, dechiffrieren, darauf gesellschaftlich antworten.
Es zeigte sich jüngst noch: Selbst unter jenen, die sich für „Gedenkarbeit“ engagieren, konnte ich keine validen Kenntnisse über die Entwicklung der Neuen Rechten finden. Ein politisches und soziales Phänomen, das seit den 1980ern von engagierten Leuten äußerst effizient vorangebracht wurde, durfte sich weitgehend unbehelligt entfalten.
Ich halte es für müßig, das zu beklagen. Stattdessen: handeln! Die Arbeit an diesem Problem ist sehr dringlich geworden. Europa geriet über die letzten Jahre massiv unter Druck von rechts. Das Posieren und dieser (auch in meinem Umfeld) boomende Großklapperatismus werden diese Entwicklung nicht bremsen, von stoppen ganz zu schweigen.
Ich sehe es bezüglich Europa wie Fintan O’Toole: „Forget ‘post-fascist’ – what we are living with is pre-fascism.” International hat sich da sehr viel getan. Der Faschismus war nie weg, nun ist er politisch wieder in Hochform. Und Europa in zwischen zwei starken Akteuren. Nach aktuellen Kriterien muß ich Donald Trump für einen Faschisten halten. Was ihm noch fehlt, ist eine fügsame Gesellschaft mit einem umgebauten Staatsapparat.
Diesbezüglich haben einerseits die Tech-Bros (superreiche Unternehmer) schon deutlich gemacht, daß sie keinen Staat bräuchten, auf eine politische Klasse verzichten können, daß sie das Land besser führen würden. Ich denke bloß, da werden große Teile der Bevölkerung nicht mitmachen; mit Berufung auf die Verfassung der USA. Aber Trump ist ein sehr repräsentativer Faschist.
Putin umso mehr. Er ist in all dem schon viel weiter gekommen und hat offenbar mit seiner Crew die Eliten Rußlands fest im Griff. Putin zeigt uns neuerdings, wie sich Zynismus und Menschverachtung im russischen Faschismus vertiefen lassen. Ich meine, auf diese düstere Idee sind nicht einmal die Nazi gekommen. Zitat: „Russia’s war machine is trying to turn Ukrainian teenagers into soldiers” [CNN World]

Diese entführten ukrainischen Kinder, nun längst im waffenfähigen Alter, sollen im Kampf gegen ukrainische Leute eingesetzt werden: „Russia Is Turning Abducted Ukrainian Children Into Soldiers“. [Collaborative on Global Children’s Issues, Georgetown University]
Das ist ein geradezu unterirdisch böses Konzept. Dieser Modus erscheint mir mit jener „Vernichtung durch Arbeit“, wie sie die Nazi organisiert haben, durchaus kompatibel. Im Klartext sollten Juden damals ‚straßenbauend‘ in Ostgebieten arbeiten, wobei ‚zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird‘. [Wiener Zeitung] Das kommt in Rußland vielleicht noch. (Stets markiert der Zynismus besondere Menschenverachtung!)
+) Vorlauf: Faschismus VI
+) Mars (Eine Debatte über Krieg)
+) Rechtsruck
Ergänzend
Philosoph Jason Stanley, den ich an anderer Stelle schon erwähnt habe, nennt folgende Charakteristika des modernen Faschismus, von denen im einzelnen Konzept mehr oder weniger gefunden werden können. [Weiter auf Seite #2!]