Soweit ich sehe, gibt es in meiner Kultur keine billigere und populärere Waffe als diese. Möchte ich jemanden treffen, verletzen oder sogar manchen Menschen gefügig machen, brauche ich kein Messer eingesteckt zu haben.

Gewalt durch Sprache ist jederzeit zur Hand und dank unserer vorherrschenden Männerkultur eine stets blank polierte, scharfe Waffe. Ich erkenne relativ leicht, wen ich auf diese Art sofort erheblich brüskieren oder sogar zum Weinen bringen könnte. Hat man dazu noch gelernt, wie der eigene Körper über eine passende Pose vom Gegenüber als Bedrohung empfunden wird, ergibt das eine erhebliche Schlagkraft; zumal sich auch physisch mitteilen läßt, daß man auch mit der Faust zuzuschlagen bereit wäre.
Falls Sie daran zweifeln, fragen Sie einfach im nächstgelegenen Frauenhaus nach ein paar Fallbeispielen. Aber natürlich handelt auch unter Männern eine mögliche Kontroverse von dieser oder jener „Kerl-Nummer“. (Hollywood zeigt uns laufend, wie das aussehen soll.)
Wir haben alle gelernt, solche Zeichen zu lesen und zu verstehen. Es wird bis heute sogar auf den billigsten Plätzen reproduziert. Dank Social Media üben sich selbst allerhand blasse Wesen, die in einer realen Konfrontation eher kleinlaut wären, via Postings in avancierten Grobheiten.

Sie brauchen keine wissenschaftlichen Abhandlungen zu lesen, um eine Vorstellung zu haben, was Gewalt durch Sprache ist und was daher geächtet sein sollte; auch wenn es an Fachliteratur dazu keineswegs mangelt. Ich bin überzeugt, jeder meiner nächsten Mitmenschen kennt jene Worte, die einen brüskieren, beleidigen, verletzen.
Wir kennen auch alle diese oder jene Sätze, durch die man sich gedemütigt fühlt; speziell dann, wenn sie einem in Gegenwart anderer Menschen zugemutet werden. Et voilà! Gewalt durch Sprache. Wer Mitmenschen beschimpft, verhöhnt, womöglich verallgemeinernd zu Deppen erklärt, et voilà! Gewalt durch Sprache.
Manchmal erlebt man komplette Verlaufsmuster der Abwertung. Ein Beispiel. Erst wird mir Intelligenz abgesprochen und die Leistungsfähigkeit meines Verstandes in Abrede gestellt. Reicht das nicht, wird meine körperliche Erscheinung kritisiert, notfalls verhöhnt. Stecke ich noch immer nicht zurück, geht es gegen meine Sexualität und ich werde in meinem „Mannsein“ herabgewürdigt. Dieses Muster in ein Klassiker.

Wird Gewalt durch Sprache auf ein höheres Organisationsniveau gehievt, taugt sie zum Fundament und Ausgangspunkt für andere Gewaltformen, auch für Kriegshandlungen. Das hat folgende Funktion: Erst wird der Mitmensch zum Gegenmenschen umgedeutet, dann zum Nichtmenschen. Auf der Ebene können schließlich Hälse durchgeschnitten werden, geht das Schießen los.
So darf umgekehrt gefolgert werden, daß unweigerlich Gefahr droht, wo Gewalt durch Sprache akzeptiert wird. Das verlangt nach Einwänden, wo immer man darauf stößt. In meinem persönlichen Umfeld dulde ich Gewalt durch Sprache keinen Moment. In meinem Lebensraum reagiere ich darauf postwendend und öffentlich, falls etwa in der Lokalpolitik oder im Kulturbetrieb sowas auftaucht. Auch meine neue Kolumne „Mars“, zu der diese Glosse gehört, ist durch so einen Vorfall ausgelöst worden. [Fortsetzung]
+) Mars (Eine Debatte über Krieg)
+) Rechtsruck
Man möchte bei solchen Phantasien
ärztliche Beratung empfehlen:
