Sie sehen, ich bleibe bei dieser Metaphorik, um unserer Situation einen gut nachvollziehbaren Rahmen zu geben.

Mit Wundrakien bezeichne ich den Denkraum von Musiker Christoph Wundrak. Kruschestan ist mein Denkraum. Diese gedanklichen Räume sind natürlich auch von Ideen und Vorstellungen anderer Menschen belebt.
In der Zeit bevor sich die Schrift durchgesetzt hat, mußten sich Menschen sehr viel merken können. Da war das Errichten von „Gedankenpalästen“ eine taugliche Mnemotechnik, mit der man Themen und Inhalte in verschiedenen (Denk-) Räumen eingelagert hat.
Die wechselseitige Anerkennung von Wundrakien und Kruschestan soll verdeutlichen, daß es mir nicht darum geht, „Wahrheiten“ durch das Eliminieren von Widersprüchen zu produzieren. In einer Demokratie können auch einander widersprechende Ansichten nebeneinander bestehen. Kein Grund für Grobheiten, Beleidigungen, Abschätziges. Dissens ist in menschlicher Gemeinschaft unvermeidbar.
Kulturelle Hintergrundfolie
Da sich die Meinungsverschiedenheit zwischen Wundrak und mir vor allem via Text entfaltet, sollten wir das Thema sinnerfassendes Lesen beachten. Literarität. Es geht um die Fähigkeit einen Text zu lesen, zu verstehen, aber auch darum, sich schriftlich mitzuteilen.
Das ist eine fundamentale Kulturtechnik, die in Europa während der griechischen Antike an Breite gewonnen hat. Soll Kommunikation auf solchem Weg gelingen, muß man nicht bloß Worte entziffern können, sondern auch Kontext und Subtext im Fokus haben.
Bei den Worten haben wir diese semantische Herausforderung, daß nämlich der Begriff (das Bezeichnende) von dem, was er benennt (das Bezeichnete), kategorial getrennt ist. Als Beispiel: am Wort Sessel ist überhaupt nichts „Sesselhaftes“. Alle deutschsprachigen Menschen könnten diese Beziehung gemeinsam ändern und den Gegenstand mit einem beliebigen anderen Wort bezeichnen. Das darf bloß nicht schon belegt sein, sonst mißlingt Kommunikation. Ergo: Begriffe sind nie das, was sie bezeichnen, das sind zweierlei Kategorien.

Mit Kontext und Subtext ist es kniffliger. Da bewährt es sich, wenn jemand schon reichlich Wahrnehmungserfahrungen gesammelt hat, also etwa recht belesen ist. Das bedeutet, alles was neu dazu kommt, findet leichter Stellen zum Andocken als bei Menschen, die erst einen kleinen Wissensfundus haben.
Information und Wissen
Wissen? Das ist etwas anderes als Information. Es ist das, was wir uns aus Informationen und anderen Eindrücken erarbeiten. Wenn Wundrak etwa in seinem Gastbeitrag von einem „fiktiven Gedanken-Selbst“ erzählt, hilft es mir gar nichts, daß ich von Sophokles über Descartes und Hannah Arend bis zu Arno Gruen unzählige Bücher gelesen habe, die der menschlichen Seele und ihren Vorgängen gewidmet sind.
Aus diesen Quelle bekomme ich keinen Hinweis, was ein „fiktives Gedanken-Selbst“ sein soll. Ohne Kontext und Subtext der Formulierung zu kennen bleibe ich also ratlos. Wenn Wundrak dann den „wichtigen Weisheitslehrer Eckhart Tolle“ erwähnt, weiß ich auch nicht, was genau ein „Weisheitslehrer“ sein soll. Ist nicht jede Lehre, die mich erreicht, neben möglichem praktischen Nutzen dem Gewinn an Erkenntnis und Weisheit gewidmet?
Meine Lektüre von Freud, Jung, Reich oder Fromm nutzt mir nun wenig, um zu verstehen, was ein „Ego-Bewusstsein“ oder „Ego-Selbst“ sein soll. Doch durch den Hinweis auf Tolle bekomme ich einen Hinweis, wodurch sich die Begriffsbedeutungen auftun könnten. (Wundrak erläuterte das ja auch nicht mit eigenen Wort näher, sondern empfahl mir, Tolle zu lesen.)
Wenn ich mir nun ansehe, wer mir aus Wundrakien direkt oder indirekt an Nachrichten zukam, wenn ich mir die Inhalte der jeweiligen Timelines anschaue, frage ich mich unter anderem, wie viele Bücher wohl in der Nationalbibliothek von Wundrakien stehen möge und ob dabei wesentlich mehr als zwei Autoren vorkommen. Ich stelle natürlich auch gerne die Nationalbibliothek von Kruschestan zur Diskussion. (Ich weiß von der übrigens auch nicht, wie viele Bücher sie enthält.) [Fortsetzung]
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